54 Ushuaia – Al Fin Del Mondo!

„Am Ende der Welt“ – was für ein goßes Wort! Und was habe ich mir unter diesem Sehnsuchtsort, dem Ziel meiner Reise, alles vorgestellt. Ein kleines, schnuckeliges Dorf in der Wildnis mit DEM EINEN TREFFPUNKT der Fernreisenden inmnitten schöner Berge am Meer mit kleinem Hafen – ein wahres Idyll. Nichts davon ist wahr, außer den schönen Bergen und dem Meer. Ushuaia hat 57.000 Einwohner, ist architektonisch kein Leckerbissen, hat aber dennoch eine gewisse Atmosphäre der Weltoffenheit und versprüt im Zentrum, rund um die Hauptstraße San Matin seinen eigenen Charme. Aus der Hafenperspektive wirkt es mit seinen bunten Häusern und den leicht schneebedeckten Bergen im Hintergrund sogar ganz ansehnlich.

Der Hafen ist nicht groß, doch liegen dort trotzdem recht stattliche Kreuzfahrt- und Frachtschiffe aller Art und aller Provenienz. Mit dem vorgelagerten alten Dampfschiff, dass dort vor Jahrzehnten einmal gestrandet ist, und das nun als Wahrzeichen herhält, wohnt der ganzen Hafenanlage doch etwas idyllisches inne! Die vielen Touristen aus aller Welt prägen das Straßenbild, ohne zu stören. Es ist ein ausgesprochen angenehmer Tourismus, der hier pulsiert. Es gibt dementsprechend an jeder Ecke gleich einige Hostels, und vor den meisten davon stehen auch ein paar Motorräder – die meisten kommen aus den Nachbarländern.

Wir finden mit dem „Rosa de los Ventos“ ein sehr gemütliches Hostel am Berg, nur fünf Blocks oberhalb des Hafens mit schönem Blick auf denselbigen. Hier treffen wir Tobias aus München und Wolfgang aus Ratzeburg, die auf ihren Ténérés unterwegs sind. Der Name des Hostels ist Programm, denn es weht heftig hier oben. Wettertechnisch ziehen wir am Jahresende mit Ushuaia nicht das große Los! Es ist zwar nicht ganz so schlimm, wie Wetter Online es behauptet, doch bei stürmischen 8-10 Grad regnet es recht oft, wenn auch meistens nur kurz. Blauer Himmel und Regenwolken lösen sich hier im Minutentakt ab, und die Wetterwechsel sind bis zum Eintreten überhaupt nicht vorherzusehen! Es stört uns am Ankunftstag (Mittwoch) rein gar nicht, denn das Fahren bei Sturm und Regen hat uns ganz schön müde gemacht. Und so kommt ein entspannter Nachmittag im warmen, gemütlichen Hotelzimmer gerade gelegen!

Unser Hostel in Ushuaia „Rosa de los Ventos“
Das Stadtzentrum Ushuaias von der Meerseite betrachtet
Ushuaia eingekesselt von Bergen – der Schnee fällt bis auf 400 m hinunter!
Ushuaia gibt sich international.
Stadtturm zum Nationalpark „Tierra del Fuego“.
Die Not zur Tugend gewandelt – havarierter Dampfer ist seit Jahrzehnten das Wahrzeichens des Hafens von Ushuaia!
Stadtansichten (I) – die Hauptstraße „San Matin“ mit Hard Rock Café
Stadtansichten (II) – man gibt sich gerne alpenländisch!

Am Donnerstag ist es uselig, sprich stürmisch, kalt und sehr nass! Der perfekte Tag für einen Ölwechsel an Steves Moped. An der Rezeption empfiehlt man uns „Faster“ als beste Werkstatt in Ushuaia. Als wir dort um 11 Uhr eintreffen, finden wir an besagter Adresse keinerlei Hinweis auf eine Werkstatt. Im nahe gelegenen Ersatzteilgeschäft sagt uns der Verkäufer, dass „Faster“ sich hinter dem gegenüberliegenden Garagentor befinde und er den Mechaniker anrufe, der dann in 5 Minuten komme. Und genauso geschieht es dann auch. Juan, der sein Geburtsjahr 1991 groß auf den Hals tätowiert hat, stellt sich als freundlicher und geschickter Mopedschrauber heraus. Wir kaufen in dem Ersatzteilgeschäft gutes Motul 7100 Öl und Juan erledigt den Wechsel sofort.

Danach versuchen wir jemanden zu finden, der Steves Tankrucksack reparieren kann – es muss ein neuer Reißverschluss eingenäht werden. Wir werden von Pontius zu Pilatus geschickt, aber niemand will diese Arbeit machen. Angeblich hat keiner eine geeignete Nähmaschine dafür. Beim letzten gescheiterten Versuch in einer Schusterei animiert unsere Verzweiflung einen anderen Kunden dazu, uns eine Schneiderin zu empfehlen, die solche Arbeiten machen könne. Sie heiße Maria Cristina, wie Arianes Schwester, und komme aus Kolumbien. Er vesucht sie anzurufen, aber sie antwortet nicht. Also erhalte ich ihre Telefonnummer und probiere meinerseits erfolglos, sie anzurufen. Zwei Stunden später ruft sie mich an, und wir verabreden uns für den frühen Abend in ihrem Atelier, wo sie sich den Tankrucksack anschaut und als reparabel beurteilt. Wir lassen das gute Stück da und sollen es am Montag repariert zurück erhalten – schön! Der Rest vom Donnerstag ist verregnet und treibt uns zurück ins Hostel.

Auch der Freitag (30.12.) ist nicht wirklich schön, aber immerhin hört es am Nachmittag auf zu regenen. Das ist die Gelegenheit, sich auf den Weg in den Nationalpark „Tierra del Fuego“ an das Ende der Welt zu machen. Dort nämlich endet die Ruta 3 bei KM 3079 ab Buenos Aires gerechnet. Der Eingang zum Park liegt nur 12 Kilometer westlich von Ushuaia. Nach 15 Uhr müssen wir nicht einmal mehr Eintritt bezahlen, wie wir erfreut feststellen! Als erstes im Park steuern wir das südlichste Postamt dieser Erde an, was auf einem Steg am Atlantikufer gelegen ist, weil die Post früher nur per Schiff transportiert wurde. In diesem urigen Amt versieht Carlos seit 30 Jahren seinen Dienst und stellt hier eine Institution dar. Neben Postkarten stempelt er auch Reisepässe mit einem wunderschönen „Fin del Mondo“-Stempel und klebt dazu noch sein Konterfei in den Pass. Letzteres offenbart, dass sein Alter doch deutliche Spuren hinterlassen hat. Es ist eine echt urige Stimmung im Postamt – ein großartiges Erlebnis, und ich gebe ein paar Karten an die Liebsten auf den Weg! Dabei erlebe ich eine weitere Stilblüte der Wahnsinnsinflation in diesem Lande. Das Porto für die Postkarte beträgt 1.000 Pesos (ca. 3€ nach Schwarzmarktkurs und 6€ nach offiziellem Kurs!) Da die Marken aber immernoch kleingestückelt sind, beanspruchen diese mehr als die Hälfte der beschreibbaren Fläche der Postkarte, sodass der Text ziemlich kurz ausfallen muss!

Das südlichste Postamt dieser Erde liegt auf einem Steg am Atlantik, wo früher das Postschiff anlegte!
Im inneren des Postamtes ist Carlos seit 30 Jahren die Institution – er stempelt nicht nur Postkarten, sondern auch Pässe!

Auf dem weiteren Weg durch den Nationalpark finde ich anhand eines Photos, dass mir Klaus geschickt hat, genau die Stelle an der er 1999/2000 eine großartige Silvesterparty unter den Fernreisenden gefeiert hat. Ich hege noch immer die Hoffnung, dass ich auch in diesem Jahr eine solche Party in Ushuaia erleben werde. Doch diese erlischt abrupt, als ich dort nur ein einziges, einsames Campingmobil entdecke.

Am Weg zum Ende der Welt: Eine ähnliches Bild hat mir Klaus von der Stelle geschickt, an der er das Millenium-Silvester feierte.
Am 31.12.1999 war hier die große Party, am 30.12.2022 nur Tote Hose!

Auch nicht viel erhellender ist die Ankunft 4 km weiter am Fin del Mondo. Ja, hier endet die Ruta 3, und es steht dort eine schicke Tafel, die die Entfernungen nach Buenos Aires und Alaska angibt. Ich bin von Alaska hierher allerdings fast die doppelte Strecke gefahren! Ansonsten gibt es hier nur viele Touristen, die ich aber irgendwie aus dem Photo raushalten kann! Interessant ist eine weitere Tafel, die klarstellt, dass man die Falklandinseln immernoch als argentinisch betrachtet. Da werden die alten Wunden von 1982 geleckt! Maggy’s Vermächtnis!

Schwer, diese Schild ohne Menschen zu photografieren! Für die 17.848 km von Alaska habe ich über 30.000 km gebraucht!
Alte Wunde: Man macht klar, dass die Falklandinseln (Las Malvinas auf Spanisch) zu Argentinien gehören!

Samstag 31.12.2022 – der letzte Tag des Jahres in der südlichsten Stadt dieser Erde unter hinderten von Weltreisenden! Ich würde ja gerne eine Wanderung entlang der Küste im Nationalpark unternehmen, die mir Ralf (Ali) ans Herz gelegt hat, aber Petrus hat andere Pläne. Außer zum Geldabholen bei Western Union kriegen uns bei diesem Schietwetter keine zehn Pferde vor die Tür! Am Abend versuchen wir dann doch, den letzten Tag des Jahres angemessen zu „feiern“. In einer Regenpause gehen wir in die Stadt, in der Hoffnung lecker zu Abend essen zu können, aber nichts da! Es herrscht fast Totenstille im Ort. Kaum ein Restaurant, oder eine Kneipe hat Betrieb. Die wenigen, die geöffnet sind, bieten nur ein fettes Menue auf Reservierung. Keine Chance! Wir landen in einem Take-away-Laden und müssen uns mit einem pappigen Sandwich als Silvestermenue begnügen!

Um 23 Uhr sind wir ernüchtert wieder im Hostel, nachdem ich mir wenigstens über eine Videoschalte nach Mönchengladbach, wo Ariane mit unseren Freunden feiert, ein wenig Silvesterstimmung eingefangen habe. Um kurz vor Mitternacht ziehe ich mit der Kamera nochmal los – runter zum Hafen, es muss doch irgendwas in diesem Ort zu Silvester passieren! Aber nein! Es wird Mitternacht, und es passiert rein gar nichts! Kein Böller, kein Feuerwerk – einfach nichts! Ich bin fassungslos, aber irgendwie finde ich es auch gut ohne Radau und verpestete Luft – ein gutes Vorbild für Berlin! Am Ende lassen sich wenigstens ein paar Schiffe im Hafen zu einem Hupkonzert bewegen. Ja, das habe ich mir wahrlich anders vorgestellt, aber so ist mein Jahreswechsel eben sehr beschaulich!

10 Minuten vor Neujahr: Noch Resthelligkeit über Ushuaia!

Am Neujahrstag hat Petrus dann ein Einsehen. Der Tag beginnt bei vollkommener Windstille mit Sonnenschein – ich wusste gar nicht, dass man hier Windstelle kennt! Das ist der Tag für die Küstenwanderung! Und Ali, Du hast wahrlich nicht übertrieben, als Du mir diesen empfohlen hast! Über 8 Kilometer geht die Wanderung vom Postamt auf einem schmalen Pfad auf und ab der Küste entlang und offenbart dabei die schönsten Buchten mit smaragdgrünem Wasser und grünen Felsen. Dazu jede Menge Federvieh im und am Wasser – eine traumhafte Neujahrswanderung! Er endet an der Millenium-Silvester-Wiese, von wo wir per Anhalter zurück zum Postamt zu den Mopeds fahren. Am Abend beschließen wir den Ushuaia-Aufenthalt mit einem schönen Abendessen, das besser zum gestrigen Abend gepasst hätte.

Startpunkt des Küstenwanderwegs im Nationalpark Tierra del Fuego neben dem südlichsten Postamt der Erde.
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (I)
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (II)
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (III)
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (IV)
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (V)
Küstenwanderweg: Schöne Buchten (VI)
Küstenwanderweg: Federvieh (I)
Küstenwanderweg: Federvieh (II)

Morgen trennen sich dann vorerst die Wege für Steve und mich. Ich werde schon früh in Richtung El Calafate aufbrechen und mich dann über die Ruta 40 und die Carretera Austral nach Norden bewegen. Steve hat sich zwar gegen eine Antarktik-Schifffahrt entschieden, wird aber morgen erst noch seinen Tankrucksack abholen und sich dann gemütlicher und möglichst auf Asphalt in den Norden bewegen. Es ist nach so langer gemeinsamer Reise zwar ein komisches Gefühl, aber sicher auch mal für beide gut, mit dem jeweils eigenen Rhytmus und Stil zu reisen. Möglicherweise treffen wir uns nochmal auf der Ruta 40, wenn ich wieder von der Carretera Austral gen Osten fahre. Spätestens Anfang Februar sehen wir uns dann wieder in Santiago. Wir fliegen beide fast zur gleichen Zeit am 8. Feb von dort nach Hause und werden unsere Mopeds ebenfalls beim gleichen Spediteur in San Antonia auf die jeweilige Heimreise schicken.

Jetzt freue ich mich erstmal auf die Fahrt zu Ariane, die wieder mehr Outdoor- und Off-Road-Programm haben wird. Ich hoffe nur, dass das Wetter mitspielt und vor allem, dass der Wind nicht zu heftig wird! Die letzten Tage haben mich da durchaus das Fürchten gelehrt!

2 Gedanken zu “54 Ushuaia – Al Fin Del Mondo!

  1. Sonja Beste schreibt:

    Ein fröhliches, gesundes und glückliches Neues Jahr wünschen wir aus Neuss 🥂💫🥰 kommen Sie heil und mit vielen tollen Erinnerungen im Gepäck wieder an. Liebe Grüße. Sonja Beste

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