Es bestätigt sich mal wieder, dass man am besten auf keine fremden Aussagen vertraut, sondern sich sein eigenes Bild verschafft. So fahren wir trotz angeblicher Straßensperrung am Samstagmorgen nach einem herzlichen Abschied von Elisabeth aus Ollagüe los in Erwartung des großen Erdrutsches, den wir womöglich mit unseren geländegängigen Mopeds „bezwingen“ können. Nach ziemlich genau 40 Kilometern – zumindest in dieser Hinsicht war die Aussage recht präzise – sehen wir dann den „Erdrutsch“. Ein wahrer Witz! Auf vielleicht 100 Metern ist etwas Erde mit dem Wasser auf die Straße geraten. Da würde aber selbst noch ein Formel 1- Auto drüber kommen! Mit unseren Mopeds ist das kaum wahrzunehmen. Soviel dazu!

Die Straße führt entlang mehrerer sogenannter Salare, die aber allesamt keine Salzoberfläche zeigen. Es erscheint wie eine schöne Mondlandschaft, durch die eine erstaunlich gute Straße gebaut wurde. Auch die Bahngleise suchen sich ihren Weg an den Ufern entlang, bleiben aber ebenso ungenutzt wie die Straße – wir sind hier absolut alleine unterwegs!

Ab und zu bekommen wir ein paar Vacuñas am Straßenrand zu sehen. Sie machen sich recht wenig aus vorbeifahrenden Mopeds, aber sobald wir stehen bleiben, nehmen sie reißaus. Mit dem Tele gelingen dennoch ein paar schöne Aufnahmen badender Vacuñas und deren auf der anderen Straßenseite wartenden Herde. Ich fühle mich in einer Traumwelt. Ein solches Panorama und niemand da, außer uns! Bei kühlen 12 Grad gleiten wir südwärts auf der Hochebene, sehen weitere salzfreie Salzseen, Vacuñas und später den ersten Windpark, der sich zum Teil noch im Aufbau befindet. Wind und Sonne müssen hier im Überfluss vorhanden sein!



Nach etwa 100 Kilometern sehen wir mit San Pedro den ersten bewohnten Ort seit der Grenze bei Ollagüe. Es sind nur ein paar kleine Häuser und wahrscheinlich kaum mehr als 1-2 Dutzend Bewohner. aber irgendwie verströmt der Ort ein gutes Karma, wie er an der unbefahrenen Straße eingerahmt von schneebedeckten Gipfeln liegt. Etwas später begegnet uns dann sogar ein Güterzug auf den fadenscheinigen Gleisen. Was er transportiert, kann ich nicht erkennen. Dafür verpestet er das ganze Tal mit einer tief schwarzen Dieselwolke – Euro 6 ist hier noch nicht angekommen! Nicht viel später folgt schon ein zweiter Zug; diesmal ohne die Rußfahne! Dieser transportiert wieder schwere Lithiumbehälter in Richtung bolivianischer Grenze. Es mutet fast schon komisch an, in dieser Einöde am Bahnübergang anhalten zu müssen!



Nach gut 150 Kilometern verändert sich dann plötzlich die Landschaft. Wir verlassen die Hochebene mit ihren schönen, zum Teil schneebedeckten, Bergen am Rande. Es geht stetig berg ab, die Flächen links und rechts der Straße sind zunehmend aufgewühlt und mit allem möglichen Unrat verschmutzt. Kein Zweifel, hier beginnt die Ausbeutung der Erde durch Minen, die wie an einer Perlschnur aufgereiht sind. Es wird deutlich wärmer – bis zu 26 Grad – als wir den Stadtrand von Calama erreichen. Das ist eine recht große Stadt, die anscheinend ausschließlich von den Minen lebt. Entsprechend hässlich gestalten sich die Ränder des Ortes, in denen riesige Flächen mit schrottreifen Fahrzeugen und Geräten vollgestellt sind – eine absolut fürchterliche Kulisse, die wohl auch umwelttechnisch bedenklich ist. In dieses Bild passt dann auch der schrecklichste Friedhof, der mir je unter die Augen gekommen ist. Eine wüste, ungeordnete Anordnung von Holzkreuzen auf einem riesigen Geröllhügel, welcher mit jeder Menge Plastikmüll übersäht ist – wer möchte hier schon ruhen?

Egal, wir wollen hier in Calama keine Wurzeln schlagen, sondern lediglich vier Dinge erledigen. Erstens brauchen wir Geld, dann etwas zu essen und unsere Handies sollen eine chilenische SIM-Karte bekommen. Außerdem wollen wir die Mopeds vom Lehm des gestrigen Tages befreien, wir schleppen nämlich kiloweise von dem Zeug mit uns herum! In etwa eineinhalb Stunden sind alle Punkte erledigt, und wir machen uns auf den Weg nach San Pedro de Atacama. Das ist ein 100 km weiter Abstecher abseits der eigentlichen Route nach Puerto Montt. Der Ort gilt als „Must See“ und ist wohl eine Haupt-Touristenattraktion. Eigentlich wollten wir von San Christobal in Bolivien über die sogenannte Lagunenpiste hierher fahren, doch diese ist schon im Trockenen eine arge Herausforderung mit viel Tiefsandpassagen, sodass wir sie nach dem großen Regens erst recht nicht riskieren wollten.
Die Strecke nach San Pedro steigt zunächst sanft auf 3.400 m an. Außer einem großen Windpark gibt es nichts, das das Auge reizt. Als ich den Windpark entdecke, schätze ich ihn ungefähr 20 Kilometer entfernt. Tatsächlich dauert es aber 45 km bis ich ihn dann schließlich erreiche. Das zeigt wie groß hier die Dimensionen sind! Vor San Pedro gilt es noch ein breites, tief gelegenes Tal zu durchqueren. Fast 1.000 Metert geht es hinunter, und so mancher LKW hat es nicht heile hinab geschafft, wie zahlreiche Wracks und Kreuze bezeugen. Im Tal wird es mit 33 Grad so richtig heiß. Hinter dem Tal geht’s wieder hinauf auf einen Bergrücken, und dieser stellt sich als bizarr erodiertes Sedimentgestein dar, in das sich San Pedro einfügt – tolle Farben und Formen! Der Himmel verfinstert sich bedrohlich, als wir den Ort erreichen, doch an Regen ist hier nicht zu denken. Wir finden ein nettes Hostal mit einem schönen Innenhof, in dem es sich gut relaxen und an den Mopeds schrauben lässt. Beide haben es nötig, und dazu soll der morgige Sonntag dienen!


Am Abend gehen wir zum Essen in den Ort und landen in einem Pub mit Live-Musik von recht unterschiedlicher Qualität. Erst spielt ein sehr guter Guitarrist mit einer Hintergrundband vom Band, doch dann trauen sich zwei Guitarristen auf die Bühne, von denen der eine nicht singen und der andere nicht Guitarre spielen kann – eine bizarre Vorstellung, aber schadet’s der Stimmung im Pub? Eindeutig NEIN! Gut gelaunt kehren wir in unser Hostal zurück und freuen uns auf die Betten!
Der Sonntag ist ein entspannter Tag, der spät beginnt und allerlei kleine Reparaturen erledigt, die schon eine Weile auf der To-Do-Liste standen. Ich komme in Sachen Batterie zwar nicht weiter, aber dafür finde ich den Grund für den zu häufig laufenden Lüfter an meinem Moped. Offensichtlich habe ich vor der Fixierung des Kühlwasserschlauches doch mehr Wasser verloren als geglaubt, aber das Schauglas erlaubt keinen Blick mehr auf den Füllstand! Bei Steve steht die Reparatur des GPS-Halters an und bei beiden Mopeds muss der Luftfilter gereinigt werden. Der Rest des Tages geht mit Schreiben, Lesen und Faulenzen drauf. So ein Tag war mal wieder fällig!


Morgen ist Montag – Wochenbeginn! In Antofagasta gibt es laut Internet einen KTM-Händler, der hoffentlich eine vernünftige Messung meiner Batterie durchführen kann, um festzustellen, ob einfach die Batterie zu tauschen ist, oder ob es im Stromkreis desMopeds ein anderes Problem gibt, dass die Batterie über Nacht entleert. Dafür werden wir schon früh aufbrechen, um bereits zur Mittagszeit bei KTM aufzuschlagen und möglichst am gleichen Tag das Problem gelöst zu bekommen.