42 Expressway in den Süden Perus

Trujillo ist wohl das einzig schöne, von dem ich auf unserem Expressway in den Süden berichten konnte. Dennoch bedaure ich keinen Moment die Entscheidung, schnell über die Panamericana in Peru’s Süden zu gelangen. Die Wüste setzt sich auf der ganzen Strecke bis Pisco – das sind ziemlich genau 1.000 km – fort. Es wäre ja gar nichts gegen Wüste zu sagen, wäre sie so schön wie die Sahara. Aber dem ist bei weitem nicht so. Der kalte Pazifik sorgt zudem für einen permanenten Dunst an der Küste, der die ohnehin wenig farbenfrohe Sandlandschaft auch noch in ein trübes grau taucht. Dazu noch die Massen an Plastikmüll, die sich über den Sand erstrecken – es ist einfach nur zum fürchten!

Graue Wüste von Trujillo bis Pisco – allein das Wasser und die Inseln sorgen für etwas Abwechslung!

Zu Beginn präsentiert sich die Panamericana zeitweise noch als normale Landstraße mit je einer Spur pro Richtung. Aber weiter südlich ist es dann eine durchgehende Autobahn, die nur von drei Städten unterbrochen wird. Chimbote, Casma und Barranca sind diese Unterbrechungen. Eine Stadt fürchterlicher als die andere. Das Rennen um die scheußlichste Stadt macht aber eindeutig Casma, das sich des Fischfangs und der Fischverarbeitung rühmt. Ich muss wirklich an mich halten, um nicht dem Brechreiz zu erliegen. Der Verkehr ist aber nur in diesen Orten schlimm – hier regieren die Tuc-Tuc – ansonsten sind die Straßen durchweg frei.

Tuc-Tuc prägen das Straßenbild in den Städten

So spulen wir am Samstag und am Sonntag Vormittag einfach nur die Kilometer herunter. Links grauer Sand, rechts grauer Sand und manchmal ein kleiner Lichtblick in Form eines Strandes oder einer Bucht. Da hilft es sehr, dass ich gerade gelernt habe, wie ich mein Phone mit dem Helm verbinde und jetzt meine Playlists rauf- und runterhören kann. Ich habe eigens eine Panamericana Playlist erstellt! Eine weitere Playlist „für unterwegs“ kommt durch den Äther von Guido – sehr willkommen!

Mal ein kleiner Lichtblick am rechten Wegesrand – ein Pazifikstrand. Niemals sieht man da Leute!

Der Samstag führt uns nahe an die Dunstglocke von Lima heran, doch wollen wir uns da heute Abend nicht mehr durchwühlen. So finde ich im GPS ein Hostal am Strand von Chancay, das nicht großartig aber gut genug ist, um sich von der banalen Tagesetappe zu erholen. Wir haben einen Blick aufs Meer und sehen in einiger Entfernung eine Großbaustelle direkt am Meer. Dort wird zur Zeit der Hafen groß ausgebaut. Dazu gehört auch ein Tunnelsystem über das Mineralien (seltene Erden) direkt vom Abbauort zum Hafen transportiert werden. Klingt erstmal ganz fortschrittlich. Übel wird mir dann aber, als ich erfahre, dass das alles von China finanziert und gebaut wird. Die machen mir wirklich Angst mit ihrem weltumspannenden Netz von Verkehrsinfrastruktur, das sie in fast allen finanzschwachen Ländern dieser Erde aufbauen.

Blick auf die chinesische Hafenbaustelle in Chancay

Die Sonntagsetappe soll noch bis Pisco auf der Panamericana verlaufen, von wo es anschließend in die Anden geht. Dafür müssen wir zunächst durch Lima fahren. Nach meiner Erinnerung von 2013 ein hässlicher Ort. Durch die südlichen Vororte der Hauptstadt führt die PanAm nicht mehr kreuzungsfrei. Daher müssen wir uns durch das Gewusel der Stadtbusse wühlen. Eine Ampel passiere ich bei sehr dunklem Orange. Steve folgt dennoch und sieht sich alsbald von einer Mopedstreife zum Anhalten aufgefordert. Der freundliche Polizist zückt seinen Block mit den Strafzettelformularen und füllt jedes der vielen Details sorgfältig aus. 552 Soles ruft der Bußgeldkatalog für Rotlichtverstöße auf – das sind immerhin 145.-€ – eine stolze Summe. Als alles ausgefüllt und von beiden Seiten unterschrieben ist, folgt ein bischen Smalltalk mit dem Polizisten. Ein Lob für sein Dienstmoped, die übliche Frage nach dem Woher und dem Wohin lassen ihn milde werden, und zum Schluss sagt er uns, dass er den Strafzettel nicht weiterleiten werde. Nett! Wobei ich eh Zweifel hege, dass ein Bußgeldbescheid von Lima nach Ohio durchgestellt wird. Zu bezahlen wäre er dann sowieso nicht. Trotzdem freut es uns, die Fahrt ohne zu blechen fortsetzen zu können.

In Lima selbst ist die Panamericana dann eine kreuzungsfreie Autobahn. Ob es am Sonntag, oder an der guten Straße liegt? Wir sind in kaum 30 Minuten durch diese riesige Stadt mit ihren 7 Mio Einwohnern durch. Südlich der Stadt erstrecken sich dann die Strandhaussiedlungen der Reichen und Schönen von Lima, die hier mit ihren Porsche und sonstigen Luxuskarossen ziemlich oft auf der Straße anzutreffen sind. Manchmal liegen diese in krassem Kontrast direkt neben den einfachen Siedlungen.

Zweierlei Art am Strand zu wohnen: Vorne das einfachere Volk, hinten die Schönen und Reichen!

Mit einem späten Mittagessen bei Pisco ist die Küstenetappe glücklich überstanden. Eineinhalb Tage Monotonie, Tristesse, Dreck und Gestank fallen von uns ab, als wir mit jedem Kilometer gen Westen wieder tief in die schöne Bergwelt der Anden eintauchen dürfen. Zunächst sind die Berge noch wüstenartig kahl. Dann füllen sich die Ebenen mit Ackerbau und Obstplantagen. Nach knapp zwei Stunden beenden wir schließlich die Tagesetappe in Huaytará auf 2.700 m, dem letzten größeren Bergdorf bevor die Straße für 200 Kilometer oberhalb von 4.000 m verlaufen wird. Huaytará ist ein bemerkenswert adrettes Örtchen, in dem es den Leuten offensichtlich sehr gut geht. Hier gibt es viele Hotels und Pensionen, denn am Abend will hier niemand mehr in die hohen Berge weiterfahren.

Kaum 50 km von der Küste entfernt bauen sich die Anden noch kahl auf. Im Tal eine Obstplantage.
Huaytará auf 2.700 m Höhe

Zum ersten mal seit Mexiko blicken wir am Montagmorgen in einen strahlend blauen Himmel. Die Weiterfahrt von Huaytará ist ein wahrer Traum. Gut 20 km weiter – das erzählt uns der Hotelier – gibt es eine alte Inka-Stätte, die er in einem Atemzug mit Machu Picchu erwähnt. Wir finden den Abzweig von der Passstraße und folgen einer Piste, die laut GPS in 3,5 km in Inkahuasi münden soll.

Blick zurück auf Huaytará nach 14 Kilometern auf der Passstraße

Doch nach gut 2 km ist für uns an Weiterfahren nicht mehr zu denken, denn hier wurde die Piste vom Fluss einfach davon gespült. Also machen wir uns zu Fuß auf nach Inkahuasi. In 3.950 m Höhe eine durchaus beschwerliche Angelegenheit. Umso enttäuschter sind wir, als wir ankommen und an der Stelle, die das GPS uns weist, nur eine kleine Erimitage neueren Baujahrs vorfinden. Außer ein paar Eseln ist dort aber keiner anzutreffen.

Ende der Piste für uns: Dort wo Steve im Flussbett steht, war einmal die Piste!
Verlassene Erimitage statt Inka-Kultstätte auf 3.950 m
Eselchen – gehört offensichtlich zur Erimitage!

Erst hinter der Erimitage entdecken wir dann das Inkahuasi. Der Vergleich mit Machu Picchu ist natürlich absolut gestrunzt! Sehr bescheiden präsentiert sich hier der Umriss einer alten Inkasiedlung in Form einer Steinmauer und zweier Gebäudereste. Es war trotzdem den mühsamen Aufstieg wert!

Doch noch gefunden: Inkahuasi

Wieder zurück auf der Passstraße führt uns diese auf eine 4.500 m hohe Hochebene, die solche Weiten freilegt, dass ich mich wie ein Sandkorn in einer Wüste fühle. Es finden sich sogar einige Schneereste. Ansonsten leben hier vor allem Alpacas. Aber auch Menschen siedeln in dieser Höhe. Auf 4.500 m gibt es ein richtiges Dorf!

Weite Hochebene auf 4.500 m
Sehr scheu in dieser Wildnis: Ein Alpaca auf der Flucht
Tambo – ein beachtliches Dorf auf 4.500 m Höhe!

Nach einem längeren Photostop – natürlich mit eingeschalteter Zündung – muss ich dann ausgerechnet auf einem ebenen Abschnitt der Bergstraße feststellen, dass meine Batterie von der Griffheizung soweit entladen wurde, dass der Motor nicht mehr anspringen will. Kein Problem, denke ich, denn ich habe ja von meinem Freund Christian seinerzeit einen Starthilfe-Booster mit auf den Weg bekommen. Ja schade, dass dieser gerade jetzt einen Fehler meldet und seine Hilfe verweigert!

Habt Ihr schon mal probiert, auf 4.500 m Höhe ein über 200kg schweres Moped den Berg rauf zu schieben? Ich bis heute auch noch nicht. Kann aber sagen, dass das total über meine Kräfte ging und nicht von Erfolg gekrönt war. Also versuche ich es, indem ich mich an Steves Gepäckträger festhalte und mich von ihm vorsichtig auf 25 km/h ziehen lasse, um dann im 3. Gang einen Jump Start hinzulegen – hat geklappt! Kurz darauf, noch bevor die Batterie wieder nennenswert geladen wäre, überholen wir eine „Schlange“ von 6 Autos, die vor einer Baustelle wartet. Die müssen da schon lange warten, denn 6 Autos ist mal gerade das, was hier in ca. einer Stunde durchfährt! Ich frage den Stopschildhaltenden, wie lange man hier zu warten habe. Da sagt er, dass die Sperrung bis 14:30 dauern würde. Es ist gerade kurz vor 12!!!

Mit Tränen in den Augen erzähle ich Ihm vom „kaputten“ Motorrad und dem drohenden Regen und kann erreichen, dass wir mit den Mopeds passieren dürfen – so ein Glück! Der Regen kommt dann auch bald; gerade als wir uns zur höchsten Erhebung, dem 4.750 m hohen Abra Apacheta aufmachen. Der Regen fällt kaum, denn er kommt horizontal – kein Vergnügen, dabei in die Regegnklamotten zu steigen! Aber es soll nur kurz anhalten. Die Auffahrt zum Pass bietet ungewöhnliche Farben und Oberflächen von Salz über Sand bis zu grünen Büschen – ein Bild wie Klee’s kleine rhytmische Landschaften!

Salz an der Oberfläche der Berge!
Durch bunte Landschaft zum Pass hinauf

Es ist ein unwirkliches Gefühl, als kleiner Mensch auf seinem kleinen Gefährt durch eine so großartige Welt zu fahren. Wie in Trance gleite ich auf dem Moped durch die Kurven, stürze mich von Gipfeln in tiefe, weite Täler und ziehe mich von dort wieder auf die nächsten Gipfel hinauf. Über sehr lange Zeit kann ich sehen, wo ich eben noch war und wo ich demnächst sein werde. Jede Straße, die ich irgendwo in der Ferne erblicke, werde ich alsbald befahren, denn es gibt stets nur diese eine, auf der ich gerade fahre!

Auf dem Abra Apacheta angekommen, ist es sehr ungemütlich, denn es weht heftig und die Temperatur sinkt auf 5 Grad. Wir haben Mitleid mit der Nomadin und ihrer Tochter, die den äußerst selten vorbeikommenden Autofahrern ein paar getrocknete Maiskörner oder gestrickte Fingerwärmer anbieten. Meist ohne Erfolg! Wir kaufen nichts, aber Steve erbarmt sich einer Spende.

Der bislang höchste Punkt der Reise: Abra Apacheta (4.746 m)
Nomaden – Mutter mit Tochter – verkaufen auf dem Pass Kleinigkeiten

Von hier oben geht es gut 90 Kilometer bis nach Ayacocha, der weit und breit größten Stadt dieser Region. Dort werden wir nach dem anstrengenden Tag frühzeitig Station machen. Auf halbem Wege stockt dann aber der Verkehr. Eine riesige LKW-Schlange blockiert die Straße. Ich rechne kurz nach und komme zum Schluss, dass es bei der geringen Verkehrsdichte wochenlang braucht, bis sich so viele LKW und Busse aufgestaut haben. Wir mogeln uns 7 km lang an stehenden Fahrzeugen vorbei. Schnell stelle ich anhand der vielen Barikarden, den verbrannten LKW-Reifen und den Transparenten fest, dass es sich um einen groß angelegten Fernfahrerstreik handelt. Es geht um die hohen Treibstoffpreise.

Die Stimmung ist sehr geladen, und unser Durchmogeln bringt uns nicht gerade viel Sympathie ein. Ich halte Steve an, mir dicht am Hinterrad zu bleiben und sich nicht zum Anhalten bringen zu lassen. So schaffen wir es trotz vieler sehr enger Pasagen durch diesen Spießroutenparcours bis zur Frontlinie. Dort will man uns anhalten, doch ein beherztes Gasgeben und Hupen machen dann doch den Weg frei. Puh! Das war mal wirklich unangenehm!

In Ayacucho, einer sehr prächtigen Kolonialstadt, nehmen wir das erstbeste Hotel nahe der Plaza de Armas und verarbeiten erstmal diesen ereignisreichen Tag! Morgen liegen zuerst 300 km auf guten Straßen vor uns, doch dann beginnt ein besonderes Abenteuer, wenn wir über wenig befahrene Pisten versuchen werden, Machu Picchu abseits der gewöhnlichen Touristenrouten zu erreichen. Es lässt sich leider nicht vorher in Erfahrung bringen, ob diese Strecken dann auch befahrbar sind, aber wir werden es auf ca. 250 km Piste versuchen und dann hoffentlich am Mittwoch nachmittags so früh in Hidroelectrica ankommen, dass wir von dort noch die 8 km bis nach Agua Calientes laufen können, um dort Karten für Machu Picchu zu kaufen und eine Übernachtung zu finden!

Ein Gedanke zu “42 Expressway in den Süden Perus

  1. Uli schreibt:

    Hallo Wolfram,
    Ihr fliegt ja geradzu nach Kap Hoorn 🙂
    Peruaner sind offensichtlich ziemlich streikfreudig. In Cusco hatten wir vom Hotelzimmer einen tollen Blick auf eine zentrale Kreuzung am Tag eines Generalstreiks. Die Rückspiegel der vorbeifahrenden Streikbrecher haben das alle nicht überlebt….

    Ich lese mit Freude Deine Berichte- weiterhin viel Spaß und allzeit gute Fahrt.
    Beste Grüße
    Uli

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