40 Über Cotopaxi und Cuenca hoch hinaus aus Ecuador

Straßen bauen können die Ecuadorianer, das muss man ihnen lassen! Es ist keine Selbstverständlichkeit in einer Höhe zwischen 2.600 und 3.500 Metern eine Strecke von 460 km an einem Tag zurückzulegen. Heute gelingt uns das von Quito nach Cuenca beinahe mühelos. Den guten Straßen sei’s gedankt! Die erste Hälfte fahren wir einschläfernd auf einer doppelspurigen Fahrbahn, die nur in den Ortschaften hohe Aufmerksamkeit fordert. Es erinnert ein wenig an das Stierlaufen in den Straßen von Pamplona, nur dass die Stiere hier Räder haben und die Menschen sich kaum daran stören, wenn sie mit Handkarren und Tieren zwischen den durchrasenden Fahrzeugen auf der Straße herumwuseln. Es grenzt an ein Wunder, dass wir keine Unfälle sehen!

Obwohl das Wetter sehr durchwachsen ist, bekommen wir 50 km südlich von Quito zur Linken den Cotopaxi zu sehen – natürlich zum Teil von Wolken verdeckt, doch er ist auch so ein irrer Anblick, dieser perfekt geformte 5.900 Meter hohe Vulkankegel mit seiner weit hinabreichenden Schneehaube! Leider erlaubt das Wetter keine guten Photos. In der Realität sieht’s trotzdem toll aus!

Majestätisch erhebt sich der weißbehaupte Cotopaxi im Osten auf 5.900 Meter Höhe – leider war kein Photowetter!

Richtig interessant wird die Fahrt dann ab Riobamba. Wir schneiden die große Ruta 35 über eine Nebenstrecke ab und kommen durch eine Gegend, die sehr indigen geprägt ist. Viele Menschen in traditioneller Tracht laufen die Landstraße entlang und staunen über die Motorradreisenden. Die Straße ist jetzt durch tektonische Aktivitäten arg in Mitleidenschaft geraten. Große, klaffende Risse und enorme Höhenversätze tauchen hinter fast jeder Kurve aus dem Nichts auf und zwingen zum Slalomfahren. Zum Glück ist auf den Straßen so rein gar nichts los. Alle paar Kilometer überholen wir einen LKW, ansonsten gehört uns die Fahrbahn allein. Mangels Brücken und Tunnel werden alle Taleinschnitte von der Straße komplett umfahren, so dass man schon von sehr weitem vorausschauen kann, wo man in der nächsten halben Stunde entlang fahren wird, bzw. wo man vor einer Weile war. Die Weite, die sich dem Auge bietet ist unermesslich, und das trotz des trüben Lichteinfalls aus der permanenten Bewölkung. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einen strahlend blauen Himmel gesehen habe. Das muss in Mexiko gewesen sein!

So schwingen wir uns stundenlang von Kurve zu Kurve und ich fühle mich wie im Rausch. Ab und zu mal eine Hütte oder ein Wanderer am Wegesrand und alle halbe Stunde eine Ortsdurchfahrt, ansonsten nur die Weite der Natur! So erreichen wir noch am früheren Nachmittag Cuenca, eine wunderschöne Kolonialstadt, die ich 2017 schon mit Ariane besucht habe.

Nur wohl behütet verlässt man hier das Haus: Indigene Bevölkerung in der Region Riobamba
Mittagspause im Straßenrestaurant
Auf der anderen Seite des Tals sehe ich die Straße, die ich etwa eine viertel Stunde später befahren werde

Cuenca ist nicht nur im Zentrum, sondern als eine der wenigen Städte, die ich kenne, auch schon bei der Einfahrt am Stadtrand eine Schönheit! In dem Hotel Posada del Rey, das wir ansteuern, erkenne ich genau das Haus wieder, in dem ich vor fünf Jahren mit Ariane gewohnt habe. Ein sehr schickes Haus mit einem großzügigen Treppenhaus im Patio.

Wiedersehensfreude: Das Hotel Posada del Rey in Cuenca
Treppenhaus im Hotel Posada del Rey in Cuenca

Während Steve sich einen Haarschnitt beim Barbier gegenüber gönnt, suche ich nach einem Kamerageschäft, um meine verlorene Objektivkappe zu ersetzen. Als ich diese schließlich finde, muss ich angesichts des Preises, den der geschäftstüchtige Verkäufer aufruft, erstmal heftig schlucken: 35 US$ für ein Stück Plastik! Ich kann ihn auf 30 $ runter handeln und ihm dazu noch ein Stück hochwertige Schnur abschwatzen, um das teure Prachtstück an das Kameragehäuse zu binden. Fehlt nur noch das entsprechende Loch in der Kappe. Das besorge ich mir schnell in einer Uhrmacherwerkstatt nebenan. Und siehe da, meine Kamera ist wieder gut geschützt und die neue Kappe gegen Verlieren gesichert. Oft sind es die kleinen Dinge, die glücklich machen!

Danach treffe ich Steve beim Friseur, und wir ziehen durch die Stadt, um deren Schönheit zu entdecken. Schicke hoch aufragende Geschäftshäuser mischen sich mit flachen Kolonialbauten. Dazwischen einige schicke Kirchen und mit Palmen bepflanzte Plätze. Das schafft eine Atmosphäre, in der ich mich gleich wohl fühle; in die ich tief abtauchen kann!

Kirche am Ende der Straßenflucht
Schickes Geschäftshaus in Cuenca
Typische Straßenflucht mit flachen Kolonialbauten
Blaue Stunde an einer der Plazas in Cuenca

Ich genieße diesen Abend in Cuenca sehr und denke einmal mehr, was für ein Privileg das Reisen doch ist! Man kann noch so viele Reisereportagen anschauen und noch so viele Bücher lesen, aber nichts ist vergleichbar mit dem eigenen Erleben!

Am Mittwochmorgen ruft die letzte Etappe in Ecuador. Weiterhin auf der gut ausgebauten Ruta 35 schwingen wir im Walzertakt durch die weiten Kurven um die Talausschnitte der Anden. Wie schon gestern begeistert mich auch heute der Weitblick von einer Talseite zur anderen. Hier kann man wirklich schon tagszuvor sehen, wer zu Besuch kommt!

Blick von einer Talseite zur anderen. Die Straße in der rechten Bildmitte ist noch über 20 km entfernt!

In Loja, der südlichsten Großstadt von Ecuador, müssen wir uns entscheiden. Fahren wir über eine kleine Nebenstraße direkt südlich zur kleinen peruanischen Grenzstation La Basal, oder nehmen wir die Panamericana gen Südwesten zum Grenzübergang Macara? Es zieht uns ganz klar gen Süden, obwohl diese Straße über weite Teile in sehr schlechtem Zustand, bzw. gänzlich unbefestigt sein soll. Denn dort kräuselt sich die Straße auf der Landkarte wild durch die Anden und führt uns ferner durch den sagenumwobenen Ort Vilcabamba, auch Ort der Hundertjährigen genannt. Dieser ist berühmt für das überdurchschnittlich hohe Alter seiner Bewohner. Bis zu 135 Jahre und im Schnitt über 100 Jahre alt sollen die Menschen dort werden. Wahr oder eine Mähr? Wissenschaftler ziehen das sehr in Zweifel. Zum einen gibt es Belege dafür, dass ein und dieselbe Person innerhalb eines Jahrzehnts in den offiziellen Angaben um über 30 Jahre „gealtert“ ist, zum anderen haben viele der Einwohner die gleichen Namen, was zu Verwirrungen führt. Es spricht also vieles dafür, dass das ganze einfach nur gutes Marketing ohne Grundlage ist, aber es hat Erfolg!

Ich selbst sehe bei meinem Besuch gar keine richtig alten Menschen in der Stadt, dafür umso mehr europäische und amerikanische Rentner in den siebzigern, die dem Ruf gefolgt sind, um hier ihren Lebensabend hoffentlich angenehm verlängern zu können. So geht es auch entsprechend beschaulich auf dem Platz vor der Kirche zu. Steve trifft dort Tom, einen Rentner aus seiner Heimat Ohio, der hier seit zehn Jahren lebt und sich der Ruhe und Stressfreiheit in Vilcabamba erfreut. Nicht ein einziges Flugzeug habe er in all den Jahren am Himmel gesehen. Eine Frau in traditioneller Tracht verkauft Obst, ein paar Kinder Spielen im Park und so manche Rentner sitzten auf den Terassen der Cafés. Ansonsten herrscht Ruhe und Frieden in diesem beschaulichen Ort.

Vilcabamba, die Stadt der Hundertjährigen oder ein Nest voller Lügnern?
Kolonialflair in Vilcabama
Vilcabamba „Dort wo die Zeit anhält und das Leben sich verlängert“ so verspricht es der Slogan an der Plaza!
An der Plaza von Vilcabamba
Obstverkäuferin in Vilcabamba in traditioneller Tracht

Wir fahren alsbald weiter und wollen heute noch in den letzten Ort vor der Grenze kommen. Der Ort heißt Zumba und ist seit Loja als Fernziel der Straße ausgewiesen. So manch ein Linienbus ist auf dieser 170 km langen Strecke nach Zumba unterwegs, und so staune ich nicht schlecht, dass 30 Kilometer vor Zumba aus dieser kleinen aber guten Straße plötzlich eine ziemlich grobe Piste wird – nicht besonders schwer mit dem Moped zu befahren, aber für die großen Busse doch eine große Herausforderung. Dabei wirbeln sie derart viel Staub auf, dass wir kurz vor der Dämmerung vollkommen verdreckt in Zumba ankommen. Ein beachtlicher Ort so mitten in der Pampa, der seinerseits im Dreck der Piste versinkt. Wir finden ein erstaunlich gutes Hotel mit Garage und auch eine tolle Pizzaria, in der wir vom Drama um das deutsche Auftaktspiel bei der WM gegen Japan erfahren 😦

Ziemlich geschafft vom langen Tag mit großen Temperaturunterschieden, endlosen Kurven und zum Schluss mit extremem Staub, falle ich gleich in einen tiefen Schlaf, aus dem mich mitten in der Nacht kämpfende Hunde unsanft wecken.

Eine Ampel für nichts auf der unbefahrenen schmalen Straße Richtung peruanische Grenze
Auf den letzten 60 Kilometern wird aus der schönen kleinen Straße eine grobe Piste mit Behelfsbrücken

Morgen am Donnerstag, den 24.11. (ein Monat vor Weihnachten!) liegen noch 27 km Piste bis zur Grenze nach Peru vor uns. Die Strecke scheint aber kaum benutzt zu werden. Eine ganze Stunde soll man dafür brauchen, sagt mir der Hotelier. Ich bin schon ein wenig aufgeregt, nach Peru zu kommen, was mir von unserer Reise 2013 einerseits ganz toll, andererseits aber auch als ziemlich unwegsam in Erinnerung geblieben ist.

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