39 Von Cali nach Quito

Nach zweieinhalb Wochen ist es nun Zeit, die Komfortzone, die mir die kolumbianische Verwandschaft gewährt hat, zu verlassen, denn es stehen jetzt sechs Wochen bis nach Ushuaia (Feuerland) bevor, die wohl etwas anstrengend werden dürften. Ariane und ich haben nämlich erst kürzlich den Plan für unsere nächstes Treffen geändert. Es wird nicht mehr Patagonien auf dem Wege nach Ushuaia, sondern Buenos Aires sein, wo wir uns am 16.01. treffen werden, um dann gemeinsam Montevideo, ein bischen Uruguay und dann die Wasserfälle von Iguazu zu besuchen. Ariane wird am Ende von Asuncion, der Hauptstadt Paraguays nach Bogota fliegen und ihre Mama abholen. Das ist für uns zusammen sicherlich das bessere Programm, bedeutet aber für mich, dass ich den südlichsten Punkt meiner Reise schon etwa zum Jahresende erreichen muss.

Ich verabschiede mich also am Samstagmorgen schon früh von Virginia und Fernando, denn für heute habe ich 470 Kilometer bis nach Ipiales an der Grenze zu Ecuador geplant. Dort werde ich Steve, Dave und Wayne am Abend treffen. Kurz zuvor bietet sich mir vor der Haustür noch ein schönes Schauspiel, als ein Bild von einem Leguan sich ein Stelldichein gibt, um Tschüss zu sagen!

Zum Abschied aus Cali kommt noch schnell ein Leguan an der Haustür von Virginia und Fernando vorbei
Abschiedsbild in Cali von Fernando aufgenommen: Schnell noch das GPS für die Tagesetappe programmieren!

Dieser Morgen ist nach den Regenfällen der Nacht ungewöhnlich frisch für Cali. Bei nur 20 Grad führt mich die gut ausgebaute Ruta 25 in weniger als 2 Stunden nach Popayan, der Geburtstadt von Arianes Mama. Da ich dort noch nie war, und so viel schönes von ihr gehört habe, darf ein kleiner Abstecher ins Zentrum natürlich nicht fehlen. Und es lohnt – sogar sehr! In strahlendem weiß erstrahlt hier eine wunderschöne Kolonialstadt auf 1.800 Metern Höhe. In den Gassen, in denen man sich verlieren kann, mischen sich Autos und Pferdefuhrwerke und dazwischen natürlich die unvermeidlich stinkenden Busse, in schwarze Rußwolken gehüllt! Leider verliere ich in diesen Gassen endgültig die Objektivkappe meiner Kamera.

Strahlendweiße Gassen von Popayan
Pferdefuhrwerke teilen sich in Popayan die Straßen mit den Autos
Der Parque Caldas im Herzen Popayans mit der Kathedrale im Hintergrund

Nur kurz währt der Aufenthalt in dieser schicken Stadt, dann geht’s weiter auf der Ruta 25 gen Süden. Der Verkehr hält sich hier zwar in Grenzen, doch auf den kurvigen Gebirgspassagen, die in relativ kurzen Abständen auftauchen, bilden sich immer wieder lange Schlangen hinter den LKW, die sich nur mühsam die Berge hinauf schleppen. Dabei steigt das Höhenmeter immer wieder auf Höhen von 3.000m und mehr. Da ist das Moped klar im Vorteil! Als ich den Rio de Cauca passiert habe, nach dem die ganze Region benannt ist, ist eine weitere Cordilliere zu überqueren. Zuvor klettert das Thermometer aber nochmal auf unangenehme 36 Grad, um in den Bergen gleich darauf wieder auf 16 Grad zu fallen. Hier oben gibt es offensichtlich tektonische Verschiebungen, die immer wieder den Straßenbau bemühen. Seltsame Risse und Höhensprünge im Fahrbahnbelag mahnen zu extrem vorsichtiger Fahrweise! Die Landschaft zeichnet ein mildes Gebirge, in dem die Felsen einen grünen Anzug tragen. Beeindruckend ist die Weite, die sich mir bietet; so gänzlich anders als in den Alpen.

Rio de Cauca
Die Berge vor Pasto tragen einen grünen Anzug

Auf den steilen Steigungen bekundet ferner mein Moped, dass es mit dem einfachen Sprit der Sorte „Coriente“, die ich ihm bisher immer verabreicht habe, nicht zufrieden ist. Der Motor klingelt unter 4.000 U/min ziemlich unangenehm. Unpassenderweise gibt es aber an sämtlichen Tankstellen seit 200 km keinen Sprit der Sorte „Extra“. Diese ist anders als Coriente nicht subventioniert und kostet glatt das doppelte, wenn sie denn zu haben wäre! Also begebe ich mich in Pasto in das Verkehrschaos, um meinem Bike das edle Gesöff zu gönnen. Eigentlich würde der Weg nach Ipiales an der Großstat Pasto vorbei führen. Es kostet mich eine dreiviertel Stunde, aber dafür dankt es mir das Moped mit besseren Fahrmanieren! Die Straße nach Ipiales ist wunderschön am Hang eines tiefen Tales gebaut – kein Canyon, aber dennoch sehr steil. Den Straßenbauern wurde hier einiges abverlangt. Tunnels und Brücken reihen sich aneinander. Wie alle Fernstraßen in Kolumbien sind auch diese hier mautpflichtig. Das schöne daran: Mopeds sind davon ausgenommen. Für sie gibt es eine kleine Spur am rechten Rand der Mautstationen, die an den Schranken vorbeiführt!

So macht Maut Spaß: „Motos A La Derecha“ führt mich rechts an den Mautschranken vorbei ohne zu zahlen!

Eine gute Stunde später biege ich am Stadtrand von Ipiales nach Osten in ein tiefes Tal ab. Dort am Ende der Straße befindet sich das kleine Örtchen Las Lajas, das für seine tief am Grunde eines Canyons erbaute Kirche berühmt ist. Als der Ort schon vor mir liegt und meinen Blick in die Tiefe zieht, tauchen bereits fast in der Dämmerung plötzlich vor mir auf der Straße die drei mir so vertrauten Mopeds mit den „Gringos“ – so nennt man hier die Nordamerikaner – auf. Das nenne ich mal ein gutes Timing!

Mit etwas Überredungskunst schaffen wir es, dass jemand die Kette zur Einfahrt in dieses autofreie Dorf herunterlässt, damit wir bis zum Hotel vorfahren können. Nach dem Einchecken und der sicheren Unterbringung der Bikes im Speisesaal des Hotels – ja, da sind die Leute in diesen Ländern wirklich mal easy, wenn es um das Parken der Mopeds geht – gehen wir die 500 m zur Kirche Santurario de las Lajas hinunter. Sie verströmt in dieser einzigartigen Lage und mit ihrer Beleuchtung eine besondere Stimmung, die viele Menschen anlockt.

Santuario de las Lajas bei Nacht

Die Kirche ist auch unser erster Programmpunkt am Morgen, ehe Steve und ich uns zur nahe gelegenen Grenze nach Ecuador aufmachen. Dave und Wayne werden noch einen Tag hier verbringen, und wir werden uns womöglich noch am Montagabend in Quito treffen, ehe sich die Wege dauerhaft trennen sollen, denn die beiden wollen deutlich langsamer gen Süden reisen, als es mein Plan vorsieht. An diesem Sonntagmorgen sind Heerscharen von Menschen in und vor der Kirche versammelt, denn es findet heute die Erstkommunion für viele Kinder statt. Ich frage mich, was die Menschen damals dazu bewogen hat, in dieser tiefen Schlucht eine so große Kirche zu bauen. Steve und ich erhaschen noch ein paar Photos und machen uns dann gern und schnell vom Acker, denn das ist eine eher abtörnende Art von Tourismus!

Santuario de las Lajas bei Tag
Trauben von Menschen vor der Kirche
Blick von oben in den Canyon mit der Kirche Santuario de las Lajas

Schon 15 Minuten später taucht die Grenze zu Ecuador vor uns auf. Fast drei Wochen ohne Grenzübergang lassen uns gelassen an dieses Abenteuer herangehen. Zunächst scheint auch alles gut zu gehen. In nur fünf Minuten sind die Mopeds zolltechnisch aus Kolumbien raus. Die freundliche Zöllnerin sagt noch, dass wir jetzt gleich zur ecuadorianischen Imigracion vorfahren können. Da hat sie aber die Emigracion aus Kolumbien vergessen, denn den Ausreisestempel brauchen wir selbstverständlich auch noch in unserem Pass. Bei allen Grenzübergängen war dies bislang der geringst aufwendige Teil der Prozedur. Nicht so in Kolumbien. Hier müssen wir uns in eine Schlange von geschätzt 150 Menschen einreihen, um diesen blöden Stempel zu erhalten. Das würde schon bei fairer Abarbeitung der Schlange bestimmt 1-2 Stunden dauern. Hier aber werden wilkürlich viele Leute vorgelassen, die offensichtlich mit etwas Geld nachhelfen. So dauert das ganze gut zweieinhalb Stunden!

Warteschlange bei der Emigracion aus Kolumbien

In Ecuador läuft es besser. Die Imigracion ist in 10 Minuten und der temporäre Import der Mopeds in 45 Minuten erledigt. Alles zusammen sind es fast 4 Stunden. Damit ist unser Tagesziel Quito nicht mehr zu schaffen.

Einreise nach Ecuador

Wir verkürzen die Tagesetappe auf die Hälfte und finden mit Ibarra ein unerwartet schönes Städtchen auf 2.900 m Höhe mit einem besonders gepflegten Park im Zentrum. Ein nettes Hostal schützt Mopeds samt Fahrer vor dem Gewitter, das just nach unserer Ankunft über Ibarra hinwegzieht. In einer zugegebenermaßen guten Pizzeria zahlen wir fürs Essen mehr als für das Zimmer. Es ist ungewöhnlich, dass ein Land, welches den US Dollar als Zahlungsmittel nutzt, weiterhin ein so niedriges Preiniveau halten kann wie Ecuador.

Park im Zentrum von Ibarra
Beschirmte Straße in Ibarra

Die verbleibenden 120 Kilometer nach Quito führen uns am Montagmorgen über Täler und Berge zunächst an den Äquator, den wir gleich dreimal überqueren, ohne darauf aufmerksam gemacht zu werden. Nur unser GPS zeigt jeweils die Breite 0°00,000′ an. Als wir beim dritten mal anhalten, um diesen Moment zu zelebrieren, entdecken wir schließlich in der Gegenrichtung eine kleine Tafel, die Latitude 0°00’00“ anzeigt – reichlich wenig für einen gegografisch so bedeutsamen Ort!

Unscheinbarer Hinweis auf Latitude 0°00’00“ im Hintergrund
Ohne den Hinweis des GPS (S 0°00,000′)wären wir glatt am Äquator vorbeigefahren!

Nach einer weiteren Stunde finden wir uns in den breiten Straßen und Alleen der Hauptstadt Ecuadors wieder. Hier läuft der Verkehr um einiges besser als in Bogota, obwohl Quito mit 2 Mio. Einwohnern auch recht groß ist. Alles wirkt hier etwas entspannter, so auch die Fahrweise. Allein die Rußwolken der Busse bilden den gemeinsamen Nenner sämtlicher Städte in Mittel- und Südamerika. Es ist wirklich nicht zu glauben, dass das nicht besser gehen soll!

Unser erstes Ziel in Quito ist die Niederlassung von Touratech, von der ich bis vor einigen Tagen gar nicht wusste, dass es sie gibt. Wer kann sich denn hier schon das teure Zeug deutscher Provenienz leisten? Offensichtlich doch so mancher Einheimischer, aber auch die Fernreisenden aus Europa und Amerika sind die Zielgruppe des Ladens, der sich wie Fort Knox gesichert im Süden des Stadtzentrums hinter einem hohen Zaun findet. Bei unserer Ankunft sieht alles derart verrammelt und vergittert aus, dass wir trotz des großen Schildes, das die Öffnungszeiten anzeigt, nicht erkennen können, dass der Laden geöffnet ist. So verbringen wir einige Minuten vor dem anscheinend geschlossenen Laden, bis endlich jemand herauskommt und uns einlässt.

Die Touratech-Niederlassung in Quito. So sieht sie aus, wenn sie geöffnet ist!

Drinnen tut sich dann das Eldorado für Mopedfernreisende auf. Edelste Bekleidung und Ausrüstung vom Besten, was der Markt zu bieten hat. Dazu eine breite Auswahl an Heidenau-Reifen. Genau deswegen sind wir hier. Steves Moped braucht neue Besohlung. Außerdem ist sein Sturzbügel dem letzten Sturz ein wenig erlegen und braucht ein paar Ersatzteile. Beides finden wir hier, wenn auch zu saftigen Preisen, aber das schmälert kaum die Freude über die Tatsache, am anderen Ende der Welt genau das zu finden, was man sucht! Ricardo, der stellvertretende Leiter der Niederlassung führt uns zur Werkstatt seines Freundes, die auf den schönen Namen „Moto Hell“ hört. Dort werden sowohl die frisch erworbenen Reifen montiert, als auch der Sturzbügel repariert.

Damit ist unsere Mission in Quito erfüllt. Wir suchen ein Hotel in der Nähe und warten auf Dave und Wayne, die kurz vor der Dunkelheit eintreffen. Dave wird morgen ebenfalls die Reifendienste von Touratech in Anspruch nehmen. Die beiden werden eine Weile in Quito bleiben. Für Steve und mich geht es morgen früh weiter in Richtung Cuenca und das Tal von Vilcabamba, das auch das Tal der Hundertjährigen genannt wird, weil dort die Menschen auffällig alt werden – älter als irgendwo sonst in der Welt!

Wir verbringen noch einen sehr netten und lustigen Abend zusammen auf der Dachterasse von Daves und Waynes Hotel, von der wir einen grandiosen Blick über die Altstadt von Quito haben. Danach heißt es auf lange Zeit Abschied nehmen. Dave wird über Weihnachten zwei Wochen in die USA fliegen und dann zurückkommen. Vielleicht werden Steve und er dann noch gemeinsam reisen können, während ich mich mit Ariane treffe. Es tut mir schon ein bischen Leid, dass wir nicht noch länger mit Dave reisen können. Die Zeit mit ihm hat Spaß gemacht. Er ist ein cooler Typ mit einem großartigen Humor!

Blick von der Dachterasse über die Altstadt von Quito mit viel Wolken / Nebel am Berghang

Happy travels to both of you Dave and Wayne!

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