Mit Ankunft in Bogota tritt die Reise in eine neue Phase. Jetzt, wo auch noch die Mopeds heil angekommen sind, ist hier erstmal Durchatmen angesagt. Vom DHL-Lager im Frachtterminal des Flughafens fahre ich direkt zur KTM-Niederlassung im Norden von Bogota, wo Mauricio mir schon vor Wochen einen Termin organisiert hat. Bei Einfahrt in die Werkstatt bin ich erstmal erstaunt über die Größe und Ausstattung der Halle. Etwa 10 Plätze mit Hebebühnen reihen sich neben einer abgetrennten Waschhalle auf. Dazu stehen geschätzt mehr als 50 Mopeds in der Halle herum, die auf ihren Service warten, darunter jede Menge Maschinen des gleichen Typs wie meine. Ein gutes Zeichen, denke ich, dann wird man sich hier mit meinem Moped auskennen!
Ich werde gleich vom Werkstattmeister empfangen, der auf mein Kommen offensichtlich vorbereitet ist. Man schaut sich mein Moped gründlich an, prüft Lagerspiele, Kettensatz, Bereifung und Bremsen und kommt dann zum Schluss, dass neben dem großen Service incl. Ventilspielkontrolle auch noch die Bremsbeläge hinten zu tauschen, sowie das Lenkkopflager und die vorderen Bremsscheiben einzustellen seien. Bremsscheiben einstellen??? Wie soll das denn bitteschön gehen? Das wird mir dann später gezeigt! Dazu wird man mir eine neue Halterung für das beim Transport gebrochene Nummernschild basteln. Das klingt alles sehr gut und vertrauenserweckend. Anschließend wird mir Manuel vorgestellt, der von KTM auf das höchste Level „orange“ trainiert sei. Manuel ist mir auf Anhieb sympathisch. Sehr routiniert schraubt er die Maschine auseinander und bringt sie dann mit den demontierten Teilen in die Waschhalle, wo alles so intensiv gereinigt wird, dass das Moped wie neu aussieht. Ich schaue mir das ganze zunächst aus einem über der Halle gelegenen Warteraum an, der mir einen super Überblick über das ganze Geschehen gewährt.

Nach dem Waschen darf ich dann den Arbeiten aus der Nähe zuschauen, wo mir Manuel mit viel Geduld laufend erklärt, was er gerade macht. Fast sieben Stunden widmet er sich mit unglaublicher Liebe zum Detail der Maschine. Soviel Aufmerksamkeit hat sie noch nie erfahren. Es wird wirklich alles geprüft was zu prüfen ist. Die Bremsen werden komplett demontiert, gereinigt und geschmiert, die Radlager werden geprüft und von außen mit weißem Fett geschützt. Die Kette wird penibel gereinigt und geölt. Das Einstellen der Ventile ist eine echt kniffelige Angelegenheit und erfordert ziemlich viel Demontage im oberen Bereich des Motors. Kühlwasser wird aufgefüllt, das Lenkkopflager nachgestellt und dann kommt das größte: Das „Einstellen“ der vorderen Bremsscheiben.

Mir war bis dahin gar nicht klar, dass das geht. Natürlich kenne ich das Phänomen, dass die Verbinder zwischen dem inneren und äußeren Teil der Bremsscheiben mit der Zeit etwas locker werden und die Scheiben beim Bremsen ein klackendes Geräusch machen. Irgendwann sagt einem dann der Service in Deutschland, die Scheiben müssen erneuert werden. Nicht so in Kolumbien! Die Scheiben werden demontiert und dann wird jeder Verbinder unter einer hydraulischen Presse soweit zusammengedrückt, bis er wieder fest sitzt. Eine Sisyphosarbeit, die eine Menge Gefühl braucht – ich bin wirklich beeindruckt!

Am Ende kommt aus einer benachbarten Werkstatt mein Nummernschild in einer kompletten Einfassung aus Edelstahl zurück. Eine sehr stabile Konstruktion, die zudem auch noch super aussieht! Ich kann nur noch staunen, zumal dafür nur umgerechnet 12€ aufgerufen werden.
Nach knapp sieben Stunden wird alles wieder zusammengebaut, und ich erhalte ein quasi neuwertiges Fahrzeug zurück, das in den drei Jahren seines Lebens nach dem ersten Tag niemals mehr so ausgesehen hat! Etwas besorgt frage ich mich am Ende, wie wohl die Rechnung für all das ausfallen mag. Das ist dann die letzte der vielen Überraschungen dieses Tages: Ganze 275.-€! Der letzte Service zuhause, der nicht annähernd so aufwendig war, hat 700.-€ gekostet!

Glücklich und zufrieden übernehme ich das Moped und fahre durch den Feierabendverkehr von Bogota zu Mauricio, wo ich das Moped in der Tiefgarage sicher und trocken parken kann. Für die kommenden Tage ist erstmal kein Mopedfahren angesagt, was eine sehr schöne Aussicht ist!