Heute, am Montag, den 31. Oktober haben wir „Großkampftag“! Alles dreht sich darum, die Mopeds und uns selbst von Panama nach Kolumbien zu schaffen und dabei das unpassierbare Darien Gap im Süden Panamas zu umgehen. Erste Station des Tages ist das Frachtterminal des Flughafens von Panama City, wo wir um 08:30 Uhr mit Santana verabredet sind, um die Mopeds für den Flug durch den panamesischen Zoll zu bringen und zu verpacken. Für die 29 Kilometer vom Hotel zum Flughafen benötigen wir in der Rush Hour über eine Stunde. Die Verspätung regt aber niemanden auf, sind Termine hier ohnehin nur approximative Zeiten. Es ist nicht leicht, im Straßendschungel des Frachtterminals die richtige Lagerhalle zu finden, doch Santana steht schon Spalier am Straßenrand und winkt uns gleich heran, als er uns ankommen sieht.
In der gleißenden Sonne stellen wir die Mopeds ab und fahren erstmal mit Santana zum Zoll. Dort braucht es ganze zehn Minuten, nachdem wir unsere Pässe, Fahrzeugscheine und panamesische Einfuhrpapiere abgegeben haben, bis wir die benötigten Ausfuhrpapiere in den Händen halten. Danach gilt es, die Mopeds gut für den Flug zu verpacken. Da möchte ich keinem anderen vertrauen und nehme das lieber selbst in die Hand, zumindest was das Verzurren der Maschine auf den speziell adaptierten Paletten angeht. Santana und sein Helfer Miguel lassen mich gewähren. Wir dürfen das gesamte Gepäck an den Maschinen lassen, und müssen auch nichts Abbauen. Ich schraube dennoch schnell die Spiegel ab, die gerne mal abbrechen, wenn sie größeren Kräften ausgesetzt sind. Die blaue Tasche nehme ich ab und werde sie als Handgepäck in den Flieger nehmen. Dafür lasse ich Helm und Mopedhose am Bike.

Nachdem alles auf der Palette verzurrt ist, machen sich Santana und Miguel daran, die Maschine mit gekonnt zurechtgeschnittener Pappe und Schrumpffolie einzuwickeln; in der Sonne eine schweißtreibende Maloche! Am Ende sieht das ganze doch ziemlich vertrauenserweckend aus, als da drei „Wrapped Bikes“ auf dem Lagergelände von DHL stehen. Zum Schluss werden die Bikes noch gewogen, denn das Gewicht geht neben dem Volumen in den Frachtpreis ein. 306kg wiegt meine Fuhre. Davon sind etwa 80kg die Verpackung. Bei Steve stehen 367kg und bei Dave gar 382kg auf der Waage! Das ist das letzte, was wir in Panama von unseren Mopeds sehen, bevor uns Santana zum Passagierterminal fährt. Der Service von Cargorider ist eben umfassend!


Jetzt beginnt der nervige Teil des Tages. Es ist gerade mal Mittag, und unser Flug geht erst in gut 15 Stunden mitten in der Nacht! Die Ticketautomaten lassen uns zwar mit unserem Pass und dem Reservierungscode einchecken, doch einen Boardingpass wollen sie nicht ausspucken. Na gut, denken wir, dann gehen wir halt zum Avianca Schalter und lassen ihn dort drucken. Denkste! Es gibt am Tag nur zwei Flüge von Avianca von diesem Flughafen, einer um 03:20 und der andere um 11:20 – gerade weg! Und außerhalb dieser Zeiten ist kein Avianca Schalter besetzt. Ohne Boardingpass kommen wir aber nicht in den Abflugbereich. Das heißt, wir müssen etwa 14 Stunden in der Eingangshalle verbringen, wo es quasi keine Sitzgelegenheiten gibt. Außerdem gibt es auch kein Restaurant oder Imbiss, ja nicht einmal einen Getränkeautomaten – schöne Aussichten!
Steve und Dave nehmen daraufhin ein Taxi und fahren ins nahe gelegene Flughafenhotel, um dort zu essen. Ich nehme es gelassen und will stattdessen den Blog weiter schreiben. Da steht die nächste Enttäuschung an, als ich feststellen muss, dass ich hier auch kein Wifi empfange. Um 18 Uhr habe auch ich die Nase voll von diesem ungastlichen Ort und folge meinen Reisegefährten in das Flughafenhotel, wo wir bei einem mäßigen Abendessen Steves Heimmanschaft, den Cincinnati Bangels, bei einer vernichtenden Niederlage im American Football zuschauen. Die Regeln und überhaupt den ganzen Sinn dieses Spiels verstehe wer will – ich nicht! Kurz vor dem Rausschmiss aus dem Hotel fahren wir zum Flughafen zurück, wo ich mich in eine Ecke zum Schlafen lege, bis mich Steve um kurz vor zwei mit der guten Nachricht weckt, dass der Check-in-Schalter nun geöffnet sei.
Dort angekommen, kann ich gar nicht glauben, dass ein Flieger um diese Nachtzeit ausgebucht sein könnte; ist er aber! Und entsprechend lang, nämlich eine Stunde, stehen wir in der Schlange. Ich könnte einfach so umfallen, finde aber an den Pfosten halt, die ein wenig Ordnung in die wartende Masse zu bringen versuchen. Als wir endlich am Schalter sind und dort als erstes unseren Impfnachweis vorlegen müssen, wird Steve auf einmal ganz nervös. Er habe wohl seinen Impfausweis am Moped gelassen! Au weia! Ohne Impfausweis kein Flug, so einfach lautet die Devise aus dem Munde der Dame am Schalter. Noch während Steve mit ihr die Alternativen durchgeht (Testen lassen – geht nicht am Flughafen, sondern nur Downtown – und den nächsten Flug um 11:20 nehmen) bitte ich Steve trotzdem seine Dokumentenmappe nochmal durchzuforsten. Und siehe da, der Impfausweis ist nicht am Bike, sondern da wo er hin gehört. Chapeau, sage ich, Du hast wirklich ein Talent, es spannend zu machen! Beim Boarden gibt es dann noch die letzte „Packung“, als man mir erklärt, dass meine blaue Tasche als Handgepäck zu groß sei, und ich 80$ extra bezahlen müsse. Eine nachsichtigere Avianca-Mitarbeiterin nimmt mich zur Seite und sagt, wenn ich etwas aus der Tasche heraus nehme und die Tasche somit auf das zulässige Maß zusammen ziehe, könnte ich ohne Aufpreis mitfliegen. Gesagt getan, und in der Tat erfüllt die Tasche nun die Anforderungen. Doch mit dem herausgenommenen Schlafsack habe ich ja nun zwei Gepäckstücke, und das gehe auf gar keinen Fall, stellt der eifrige Mitarbeiter fest, der mich anfangs schon zurückgewiesen hat. Also doch zurück zum Schalter und 80$ bezahlen. Dort treffe ich eine nette junge Frau, die gerade ihrerseits die 80 Kröten berappt hat und nunmehr Platz für meinen Schlafsack in ihrer übergroßen Tasche hat, den sie mir ungefragt anbietet. Wahrscheinlich ist es ihr ein innerer Reichsparteitag, sich auf diese Weise an den unnachsichtigen Regelhütern von Avianca zu rächen, die unserem Deal tatenlos zuschauen müssen! Beim Betreten des Fliegers erhalte ich später den Schlafsack zurück. Es gibt wirklich nette Menschen!
So finden wir uns alle drei ein paar Minuten später hundemüde im bis auf den letzten Platz ausgebuchten Flieger wieder, der nicht einmal mir ausreichend Beinraum zur Verfügung stellt. 36 Reihen in einem A320 habe ich auch noch nicht gesehen! Vom Flug bekomme ich nicht viel mehr mit, als dass er überpünktlich schon um viertel vor fünf auf dem El Dorado Flughafen von Santafe de Bogota aufsetzt. Müde schleppen wir uns und das Handgepäck durch die Weiten des Flughafens, in dem sich schon zu so früher Stunde eine unglaubliche Schlange vor der Immigracion aufgebaut hat, dass wir uns eine weitere Stunde nur mühsam auf den Beinen halten. Der Prozess am Schalter der Immigracion ist dann aber schnell und sehr freundlich. „Bienvenidos en Colombia“ sagt die freundliche Grenzbeamtin und lässt mich ins gelobte Land. Dort empfängt uns zu so früher Stunde eine Mitarbeiterin von Cargorider und fährt uns ins nahegelegene Hotel, in dem Steve und Dave die nächsten Tage wohnen werden. Mir bestellt man ein Taxi von Beat, einer Konkurenz von Uber, das in Bogota mit E-Autos unterwegs ist.
Um halb acht stehe ich schließlich bei Mauricio, einem Cousin von Ariane, vor der Tür seines Appartments, in das unser Haus locker zweimal hinein passt – ein Traum von einer Wohnung, in dem mir ein Gästezimmer mit eigenem Bad zur Verfügung steht – der Luxus pur! „Darf ich hier überhaupt – schmuddelig wie ich bin – rein?“, fragt eine innere Stimme. Ich darf und genieße darüber hinaus eine Gastfreundschaft, die ihres gleichen sucht. Dazu die tollen Früchte, die Kolumbien zu bieten hat. Den ganzen Tag verbringe ich, trotz des Schlafdefizits bei interssanten Gesprächen mit Mauricio, bis ich am späten Abend wirklich nicht mehr kann und die Horizontale suche.

Am Mittwochmorgen kommt dann die gute Nachricht von Veronica, der Agentin von Cargorider, dass die Mopeds in Bogota planmäßig gelandet sind und wir uns um 01:30 treffen werden, um die Mopeds aus dem Zoll zu lösen. Am Frachtterminal in Bogota empfängt uns David, ein 19-jähriger Mitarbeiter von Cargorider, der eine unglaubliche Persönlichkeit ausstrahlt: Jung, dynamisch und eloquent. Mit bemerkenswertem Selbstbewustsein manövriert er uns durch die Bürokratie des kolumbianischen Zolls, lässt sich dabei von keinem noch so unwilligen Zöllner ausbremsen und verschafft uns schließlich in unter zwei Stunden die begehrten Einfuhrgenehmigungen für unsere Mopeds. Einmal mehr weiß ich die Dienste von Cargorider zu schätzen, denn durch diesen Dschungel hätten wir uns alleine im Leben nicht gefunden.
An der Pforte zum DHL-Lager endet dann leider die Erfolgssträhne von David, als sich der Diensthabende, unbeeindruckt von seiner Eloquenz, nicht erweichen lässt, die Motorräder herauszurücken. Es seien zu viele andere Frachten mit Priorität zu bedienen und es fehle ihm an Personal. Wahrscheinlich ist uns damit ein ungemütlicher Ausgang des Tages erspart geblieben, denn es schüttet derweil heftig, und das ganze Unterfangen des Entpackens und Aufsattelns hätte im Freien stattgefunden. Dazu noch die Fahrt quer durch Bogota in der Dunkelheit und im Regen – nein, es wäre kein Vergnügen geworden. Also fahren wir ohne Mopeds zurück in unsere Quartiere, Steve und Dave ins Hotel und ich zu Mauricio, wo ein leckeres Abendessen auf mich wartet.
Der Donnerstag soll es dann bringen. Erst die Mopeds abholen und dann zum Service in die KTM Werkstatt im Norden von Bogota. Schon um 08:30 stehen wir mit David vor dem Lager von DHL im Frachtterminal. Heute geht alles ganz schnell. David darf als einziger in die heiligen Hallen eintreten, während wir draußen warten und mit Spannung darauf warten, dass sich eines der vielen Rolltore an den Laderampen öffnen und unsere Motorräder offenbaren wird. Es ist schließlich das Tor 59, das die Spannung löst. Ich erblicke als erstes meine KTM, die alsbald auf der Laderampe steht und dann von einem Gabelstapler vor mich hingestellt wird, wo ich sie dann entblößen darf. Die beiden BMWs folgen in kurzen Abständen. Es ist schon gut, dass es gestern Abend nicht mehr geklappt hat, denn jetzt können wir das alles ganz angenehm bei Sonnenschein erledigen.


Schon um halb zehn sind alle Mopeds vom Plastik befreit und Abfahrtbereit. Das war der Mühen letzter Akt bei der Umgehung des Darien Gap. Jetzt sind wir vollends in Südamerika angekommen! Die Entscheidung für Cargorider war perfekt. Besonders erfreulich dabei, dass die Rechnung am Ende auch noch unerwartet gering ausfällt: 1.060$ und darin sind bereits die Zollgebühren und die kolumbianische Fahrzeugversicherung enthalten. Dazu der ganze Transferservice zwischen Flughäfen, Hotels und Terminals. Besser ging es einfach nicht! Bleibt schließlich noch ein Abschiedsphoto mit David und dann ab zum KTM-Service.

Der Besuch in der KTM Werkstatt in Bogota ist ein ganz besonderes Erlebnis, von dem der nächste Blogeintrag berichten wird.