Das regnerische Wetter bleibt uns in Dominical auch am Freitagmorgen bei unserem Aufbruch zur Grenze nach Panama erhalten. Die 160 Kilometer sind auf perfekter Straße schnell erledigt. Aus der Erfahrung an der Grenze zu Nicaragua haben wir gelernt, niemals mehr mit leerem Magen eine Grenze anzusteuern. Also nutzen wir in Ciudad Neily den letzten Ort in Costa Rica für ein frühes Mittagessen. Der Straßenimbiss sieht nicht großartig aus, und auch die Katze, die im Vorratsregal schläft, sorgt nicht für mehr Vertrauen, doch am Ende kommt ein leckeres Essen dabei heraus.


Die Grenze selbst überrascht dann durch gute Organisation und zügige Abfertigung. 20 Minuten dauert die Ausreise aus Costa Rica und etwa 40 Minuten die Einreise nach Panama. Dabei ist der Erwerb einer Fahrzeugversicherung schon inbegriffen – das ist Rekord in Zentralamerika! Hier erleben wir zum ersten Mal, dass die panamesischen Zöllner – zwar höflich und ohne Nachdruck, doch trotzdem eindeutig – um eine „Propina“ bitten. Als wir dem nicht nachkommen, bleiben sie jedoch freundlich und die Sache ist schnell vergessen. Überhaupt fällt auf, dass die Menschen hier wieder so interessiert und kontaktfreudig sind wie schon in El Salvador – sehr angenehm! Es ist so früh, als wir die Grenze verlassen, dass wir noch etwas Strecke machen können. Die Straßen sind jetzt wieder zunehmend von schöneren Anwesen gesäumt, die mit schicken tropische Pflanzen geschmückt sind. Insbesondere eine roter Strauch fällt mir auf, der hier überall wächst. Laut Google will das eine Feuerpalme „Cordyline Fruticosa“ sein.


David, die mit 110.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Panamas, beschert uns den ersten Stau seit Los Angeles. In gewohnter Manier schlängele ich uns durch den Stau, doch das gefällt einem Polizisten, der gerade eine Ampel ersetzt, (ja es gibt hier tatsächlich die ersten Ampeln seit Mexiko) ganz und gar nicht. Er winkt uns heraus und hält mir, als dem Anstifter, mit ernster Mine eine Standpauke. Dank meines schuldbewusten Auftretens dürfen wir unbehelligt weiterfahren. Wir kommen vor dem alltäglichen Gewitter bis nach Las Lejas. Dort soll es laut meinem GPS eine Unterkunft geben, die auf den schönen Namen „Casa Berlin“ hört. Das ist ja quasi ein MUSS für mich. Was ich dann aber 4 km abseits der Hauptstraße an der angezeigten Adresse vorfinde, ist ein ganz gewöhnliches Wohnhaus, in dem eine panamesische Familie wohnt. Die Dame des Hauses kann mit Casa Berlin nichts anzufangen, weiß aber von einem Hostel zu berichten, das von Deutschen geführt werde und reicht mir gleich ihr Phone weiter, mit dem sie einen gewissen Ingo anwählt, der aber kein Spanisch spreche. Ingo klingt sehr freudlich, beschreibt mir kurz den Weg zu seinem Hostel und bestätigt, dass wir dort übernachten können. Die Dame des Hauses lässt es sich aber nicht nehmen, uns die Strecke zu Ingo vorauszufahren – die Leute sind hier sooooo nett!


An der Adresse empfängt uns dann Ute. Ingo sei derzeit in Deutschland und habe gar keinen Plan von den aktuellen Vakanzen im Hostel, und es habe derzeit keine! Da es mit diesen Worten gerade wie aus Kübeln zu schütten beginnt, hat diese Nachricht eine niederschmetternde Wirkung, die wiederum Ute erweichen lässt, uns ein Zimmer im Privathaus anzubieten und den ebenfalls deutschen Nachbarn Christian um ein weiteres anzufragen. So bleibt uns eine Weiterfahrt im Regen erspart. Dankbar, wie wir sind, laden wir Ute anschließend in die etwas entfernt liegende Pizzeria zum Essen ein, was uns auch noch in den Genuss ihres Fahrdienstes im trockenen Auto bringt!
Beim gemeinsamen Abendessen erfahre ich dann, dass Ute (54) und Ingo vor drei Jahren aus Deutschland ausgewandert sind, und zwar – so klein ist die Welt – aus Hohen Neuendorf, dem Ort, in dem Ariane mit Barbara ihre Praxis hat. Kann man’s denn glauben? Sie haben sich dann genau vor Ausbruch der Pandemie dieses Hostel aufgebaut und wohl zwei sehr schwierige Jahre erlebt. Panama muss ziemlich hysterisch auf Covid reagiert haben. Über sechs Monate durften die Menschen nur jeden zweiten Tag für 1-2 Stunden vor die Tür, und das auch noch nach Geschlechtern getrennt! Jetzt laufe es aber wieder wie zuvor. Sie leben vorwiegend von einheimischen Berufspendlern und Monteuren, die ein Zimmer brauchen. Touristen sind hier eher die Ausnahme. Ich glaube, sie hat den Abend mit den Mopedreisenden genauso genossen wie wir. Als Revanche für das Abendessen lädt sie uns vor Abfahrt am Samstagmorgen zum Frühstück ein.
Die letzte Etappe in Zentralamerika führt uns von Las Lejas nach Panama City und damit aus der Armut in die moderne, reiche Metropole am Panamakanal. Hier ändert sich so ziemlich alles! Die Orte werden urbaner, die Verschmutzung der Landschaft wird mehr, auch die Autos werden mehr, die Preise ziehen deutlich an, und die Straßen werden erstaunlicherweise schlechter! Über die imposante „Puente de las Americas“ überqueren wir mit Erreichen von Panama City die pazifikseitige Einfahrt zum Panamakanal. Mangels irgendwelcher Haltebuchten und angesichts des sehr dichten und aggressiven Verkehrs ergibt sich leider keien Möglichkeit, diese beeindruckende Stimmung auf einem Photo festzuhalten. Das soll ich dann am nächsten Tag nachholen!


Der Empfang der „Ciudad Panama“ hinter der Puente de las Americas ist etwas verstörend. Hier kommen wir offensichtlich durch das Elendviertel dieser ansonsten so bunten Stadt, die ein Schmelztiegel sämtlicher Hautfarben, Religionen und Lebensformen zu sein scheint. Unglaubliche Wohnsituationen kommen zum Vorschein, ebenso Gestalten, die so abgerissen und elendig ausschauen, dass man von „Leben“ gar nicht sprechen mag! Das fährt mir ganz schön unter die Haut!

Kaum 10 Minuten später finden wir mitten im Zentrum der Stadt das Hotel Costa Azul, das ich nach einer sehr guten Bewertung in Booking ausgesucht habe. Es ist nicht das schickste, besticht aber durch extreme Freundlichkeit und einen unschlagbar günstigen Preis in dieser eher teuren Stadt. Ganze 54$ bezahlen wir für ein Doppelzimmer für zwei! Nächte. Dafür gibt es eine trockene Garage und erstmals seit langer Zeit eine wirklich warme Dusche! Den Abend verbringen wir ausnahmsweise mal ohne Regen an der Pazifikpromenade dieser brodelnden Stadt. Überall leuchtet, rattert und dröhnt es aus Bars, Clubs, Vergnügungsparks und Restaurants. Muss man nicht jeden Abend haben, ist aber als Abwechslung mal ganz nett!
Das schöne Sonntagswetter nutzen wir schon früh für einen Ausflug an den Panamakanal. Im Visitor Center der Miraflores-Schleuse erfahren wir alles über den Bau und Ausbau dieses Riesenbauwerks, dass 1914 nach nur zehnjähriger Bauzeit fertiggestellt wurde und seitdem mehr als 1.000.000 Schiffe auf kurzem Wege vom Atlantik in den Pazifik geführt hat. Derzeit passieren jährlich etwa 14.000 Schiffe (ca. 40/Tag) den Kanal und bezahlen dafür je nach Tonnage zwischen 300.000.- und 800.000.-$ pro Durchfahrt – was für eine Wahnsinnssumme! Da versteht man plötzlich die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals für das Land. Seit 2016 gibt es eine dritte Schleusenstraße, die auch den ganz großen Schiffen die Passage erlaubt. Davor war der Kanal auf Schiffe bis 330m Länge und 33m Breite beschränkt – ein Maaß, das über 100 Jahre bestimmend für den Schiffsbau in aller Welt war! Auf den Container gerechnet bedeuten die enormen Mautgebühren selbst für die größten Containerschiffe immer noch 200.-$ je Container und Durchfahrt.

Von der Terasse des Besucherzentrums aus verfolge ich in zwei Stufen die Schleusung der Ida, einem gut 200m langen Schüttgutfrachters und kann dabei beobachten, mit welchem Aufwand ein solches Schiff durch die Schleuse gebracht wird. Insgesamt 6 Lokomotiven ziehendas Schiff an Drahtseilen durch die Anlage und sorgen dafür, dass es keinen Kontakt zu den Schleusenwänden gibt. Zusätzlich puffern zwei große Schlepper den Frachter nach hinten ab.





Irgendwie fasziniert mich dieser Kanal. Neben seiner schieren Größe ist es auch die Vorstellung, dass hier quasi jedes große Schiff, das die Weltmeere befährt, vorbeikommt. Kaum ein Containerschiff, das man in Hamburg gesehen hat, das nicht regelmäßig hier anzutreffen ist! Leider kann man auf der Pazifikseite des Kanals nicht die neuen großen Schleusen sehen. Das Visitor Zentrum dafür befindet sich nur auf der Atlantikseite. Das ist uns heute zu weit! Aus der Ferne erhasche ich aber ein Photo eines LNG Supertankers auf dem großen Kanal.

Noch ganz beeindruckt vom Panamakanal lasse ich mich nicht von der Hitze abschrecken und fahre nochmal zur Puente de las Americas, um die gestern versäumten Photos nachzuholen. Steve und Dave gönnen sich unterdessen ein Mittagessen in der Stadt. Zu Fuß laufe ich auf dem schmalen Gehweg über 2 Kilometer die Brücke entlang und wieder zurück. Ein Riesenerlebnis, das leider nicht viele gute Photos liefert, da die Brücke komplett mit einem engen Maschendraht abgezäunt ist. Selbstmörder haben es eben auch nicht leicht! Bei 34 Grad und annähernd 100% Luftfeuchtigkeit ist diese Wanderung in Mopedkleidung ein feuchtes Vergnügen, wird aber mit tollen Panoramen belohnt.

Anschließend besuche ich noch den Damm, der die der Stadt vorgelagerten Inseln um Amador miteinander verbindet. Von dort gibt es tolle Perspektiven auf die Skyline von Panama City, die schon etwas besonderes ist. So dicht und so hoch habe ich die Wolkenkratzer in Städten wie Shanghai oder Hongkong niemals gesehen. Am Ende bietet sich ein Panamese an, unbedingt ein Photo von mir auf dem Moped machen zu wollen. Er will im Detail alles über meine Reise wissen und verwickelt mich in ein langes Gespräch, das wie so häufig damit endet, sich mit Namen vorzustellen. Das war Rodrigo!



Mit diesem Ausflug, den ich sehr genieße, kommt die kurze und sicher zu schnelle Reise durch Zentralamerika ihrem Ende näher. Es steht heute noch die Mopedwäsche auf dem Programm, denn der kolumbianische Zoll ist da sehr penibel und will keine Krankheitserreger ins Land geschleppt bekommen.
War die Reise durch Mexiko, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama nun wirklich so gefährlich, wie es überall beschrieben wurde? Die Antwort darauf heißt ganz klar: NEIN! Wir sind nirgendwo behelligt worden. Es gab nicht eine brenzlige Situation. Die Offiziellen an den Grenzen oder auf den Straßen waren jederzeit korrekt, meistens sogar sehr freundlich. Die Menschen sehr liebenswürdig, das Essen fast immer köstlich und bekömmlich; keinerlei Magenprobleme! Bleibt zumindest für mich allein das tropische Klima als erwähnenswertes Übel, das man eben mögen muss!
Im folgenden Blog folgt die Geschichte um das Verfliegen der Mopeds von Panama nach Bogota.
Lieber Wolfram,
schön zu wissen und zu lesen, dass ihr gut durch Mittelamerika gekommen seid. Das wären auch meine „größten Bedenken“ gewesen.
Als ebenfalls „Technilbegeisteter“ kann ich es mit dem Panamakanal total verstehen. Mich hat es auch damals total fasziniert. Ich wünsche Euch, dass alles mit der Luftbrücke über Darien Gap funktioniert. Gute und sichere Weiterreise.
Viele Grüße
Bernd
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Lieber Wolfram,
da habe ich wieder was dazugelernt und das nach so vielen Dienstjahren. Es müssen nicht immer Strafen sein! Auch eine Standpauke mit ernster Miene kann die Verkehrsteilnehmer offensichtlich dazu bewegen ihr Handeln mit schuldbewusstem Auftreten zu überdenken, um sich künftig an die Verkehrsregeln zu halten.
Ich wünsche euch weiterhin eine tolle Reise mit euch stets wohlgesonnenen Polizisten.
Liebe Grüße,
Ronald
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