Erstaunlich, wie widersprüchlich ein Land doch sein kann. Costa Rica zeigt zwei Gesichter. Das eine ist das ursprüngliche, ist arm, dünn besiedelt mit wenig Verkehr, wenig Bebauung und kaum Müll entlang der erstaunlich guten Straßen. Das andere ist geprägt vom Tourismus. Dort finden sich Backpacker und viele Aussteiger, meist mit Astralbody und Surfboard unter dem Arm. Hostels, Bars und Restaurants finden sich am Strand in einer oftmals wenig ansprechenden etwas vergammelten Ansiedlung. Hier gibt es Boutiquen, Bioläden und Surfshops, die zu astronomischen Preisen – nur in US$, versteht sich – ein Produktspektrum anbieten, das den Einheimischen vorenthalten bleibt. Hier kostet ein Essen leicht 15-25 Dollar und die Übernachtung kann gerne dreistellig sein. Das ganze spielt sich auf sehr engem Raum ab. Dominical, das bereits ein „größerer“ Touristen Hotspot ist, erstreckt sich auf eine Fläche von gerade mal 500×200 Meter, das sind vielleicht 20 Fußballfelder.
Wir reisen am späten Dienstagvormittag am Grenzübergang Peñas Blancas von Nicaragua nach Costa Rica ein. Das verläuft heute mal ganz angenehm. Selbst die Ausreise aus Nicaragua verläuft problemlos. Gleichwohl brauchen die Formalitäten immernoch 2,5 Stunden, wobei wir die Wartezeiten meist in klimatisierten Räumen und teilweise sogar im Sitzen verbringen. Kurz nach Mittag eröffnen sich uns dann die unerwartet guten Straßen von Costa Rica. Kaum ein Schlagloch fordert unsere Aufmerksamkeit und teils werden sogar doppelspurige Autobahnen geboten. Das erste Straßenrestaurant hinter der Grenze ist unseres. Dort werden wir sehr lecker bekocht. Das geht auch mal fleischlos! Dann sind wir, trotz kurzer Regenpause, in Null-Komma-Nix in Liberia und weiter auf dem Weg nach Cañas, wo uns nur 15 Kilometer vor dem Etappenziel nochmal der Regen einholt. Diesmal dauert es über eine halbe Stunde, die wir unter einem Obststand verbringen, denn es sind wahre Sintfluten, die ein Weiterfahren nicht gerade empfehlen. In Cañas weist uns mein GPS mit dem Hotel Cañas eine gute Unterkunft mit trockenem Parkplatz und köstlichem Abendessen. Der Hotelbesitzer Edgar ist total begeistert von unserer Reise und unterhält uns bis spät in den Abend.

In Costa Rica wollen wir einen Teil unseres Zeitpuffers am Strand abbauen. Deshalb suchen wir uns am Mittwoch als Etappenziel Dominical an der Pazifikküste aus. Das soll, ähnlich wie El Tunco in El Salvador, ein Surferparadies sein. Wir fahren zunächst auf der Panamericana in Richtung San José, der Hauptstadt, und biegen dann auf die Nationalstraße 34 entlang der Pazifikküste ab. Auch diese Straße ist in exzellentem Zustand. Man hat mir so schlimmes über die Straßen Costa Ricas erzählt! Aber wir haben ja auch nur Hauptstraßen benutzt. In Caldera kommen wir am einzigen Frachthafen von Costa Rica an der Pazifikküste vorbei. Da bin ich doch echt erstaunt über die Größe und Infrastruktur dieses „Hafens“. Es ist in der Tat nicht mehr als ein Anlegepier für maximal zwei Schiffe entlang des Ufers. Man kann sich leicht ausmalen, wie gering der Güterverkehr in Costa Rica sein muss. In der Bucht von Caldera liegen 5 Schiffe vor Anker, die im Hafen noch keinen Platz finden.


Dank der guten Straßen kommen wir schneller voran als gedacht. Kurz nach Mittag sind wir schon fast in Dominical. Zuvor legen wir noch einen Stopp am Strand von Matapalo ein, um zu Mittag zu essen. Hier gibt es für mich noch einen kurzen Kontakt zur Heimat. Ich treffe Lavinia, die Tochter unserer Freunde Anja und Ralph, die in Matapalo in der „Casa de Tortugas“ als Freiwillige einen Dienst zum Schutze von Schildkrötennestern leistet. Sie patroulliert jede Nacht eine Strecke von 10 Kilometern am Strand, um Nester aufzuspüren und sie vor natürlichen und menschlichen Feinden in Sicherheit zu bringen, damit die Kröten nach ca. zwei Monaten sicher schlüpfen können. Wir tauschen uns für eine kurze Stunde sehr nett über unsere Reiseerfahrungen aus. Dann muss ich los zu Steve und Dave, die zwischenzeitlich schon in Dominical im Hotel „Cool Vibes“ angekommen sind. Es wird hier bereits um 17 Uhr dunkel, und ich möchte nicht im Dunkeln mit dem Moped unterwegs sein. Die Zeitverschiebung in diesen Ländern will nicht so recht zu ihrer Längengradlage passen. 84 Grad West, dass sind rund sechseinhalb Stunden später als Berlin. Tatsächlich sind es aber 8 Stunden Zeitverschiebung. Daher der frühe Sonnenuntergang!
In den vergangenen Tagen war diese Region von extremen Regenfällen heimgesucht worden. Matapalo steht komplett unter Wasser, so auch die Casa de Tortugas. Unterwegs nach Dominical sehe ich randvolle Flüsse, die sich schlammbraun ins Meer ergießen. Viel Freude bereiten mir die lustigen Kühe, die mit ihren riesigen Ohren ein witziges Bild abgeben.


Kurz vor der Dunkelheit parke ich mein Moped vor den „Cool Vibes“ und freue mich über ein kühles Zimmer und einen Patio mit schönem Pool, der direkt mit Bergquellwasser gespeist wird. Eine warme Dusche trägt ein übriges zum Wohlfühlen bei. Hier lässt es sich bestimmt gut zwei Nächte aushalten. Die Chefin des Hostels outet sich als Französin aus dem Haute Savoi in den Alpen südlich des Genfer Sees. Sie lebt seit elf Jahren hier und auch die Kinder (5 & 7 Jahre) wachsen hier auf. Sie sieht meiner Freundin Laure sehr ähnlich, die ich 2018 am Baikalsee kennengelernt habe und die witzigerweise aus dem gleichen Departement kommt.


Den heutigen Donnerstag verbringen wir mit Müßiggang. Der Morgen ist sehr verhangen und es tröpfelt sogar etwas, wobei es schwer auszumachen ist, ob es sich um Regen oder nur um tropische Luftfeuchtigkeit handelt. Gegen Mittag locken ein paar Sonnenstrahlen an den Strand, an dem es sehr zugig und wellig zugeht. Es sind keinerlei Surfer zu sehen. Dafür ist die Dünung wohl zu kurzwellig. Das Photographieren wird durch den Beschlag der Linse erheblich erschwert. Es ist einfach nicht mein Klima!
Der Weg zum Strand führt durch eine Palmenstreifen, auf dessen Boden hunderte von herabgefallenen Kokosnüssen rumliegen, die aber leider allesamt bereits ausgebeutet wurden. Bislang habe ich noch keine Kokosnuss probiert. Das muss ich unbedingt bald nachholen!



Morgen früh stehen uns noch 160 Kilometer durch Costa Rica bevor, ehe wir die Grenze nach Panama überschreiten. Diese soll wohl weniger zeitaufwendig sein – hoffentlich wissen das auch die dortigen Zöllner! Dann führt eine Schnellstraße über gut 500 Kilometer nach Panama City, wo wir Am späten Samstag oder früh am Sonntag ankommen werden. Dort wollen wir abgesehen von Downtown natürlich auch einen Blick auf den Kanal erhaschen! Außerdem will der kolumbianische Zoll, dass wir die Mopeds gut waschen, damit sie keine Keime ins Land schaffen.
Was mich jetzt noch sehr beschäftigt ist die sich ständig ändernde Planung der Luftfracht unserer Mopeds von Panama nach Bogota. Zum Glück habe ich einen sehr gut funktionierenden Kontakt mit der Agentin von Cargorider in Bogota, die sich echt toll bemüht, DHL auf einen gemeinsamen Transport aller drei Motorräder am 1.November zu verpflichten. Doch bislang erhalten wir täglich neue Flugbestätigungen, die immer wieder anders aussehen. Gestern sollten die Motorräder gar einzeln jeweils am 1., 2. und 3.11. fliegen. Das würde dreimal den ganzen Prozess der Entzollung in Bogota bedeuten. Heute heißt es: 2 Motorräder am 2. und eins am 3.11. Ist schon besser, aber noch immer nicht gut. Die Agentin ist aber zuversichtlich, dass wir alle drei Motorräder gemeinsam geflogen bekommen, und das am 1. oder 2. November. Somit können wir die Personenflüge auch noch nicht buchen, die damit immer teurer werden.
Ja, so neigt sich die Reise durch Zentralamerika langsam dem Ende zu, und ich weiß gar nicht so recht, was ich von dieser Region unserer Erde halten soll. Ich bin froh, das alles kennengelernt zu haben und konnte es in weiten Teilen auch genießen. Aber richtig warm – wenn diese Metapher angesichts des Klimas zulässig ist – werde ich mit keinem der Länder. Am ehesten hat mich noch El Salvador, wegen seiner super freundlichen und kontaktfreudigen Menschen, angesprochen. Mexiko ist sicherlich landschaftlich am reizvollsten, Nicaragua am ursprünglichsten. Ich möchte keines der Länder auf der Reise missen, bin aber auch froh, nicht wieder durch diese zurückreisen zu müssen und würde niemals auf die Idee kommen, eine mehrwöchige Flugreise dorthin zu planen. Ich glaube der Hauptgrund dafür liegt im Klima. Wahrscheinlich fällt es mir schwer, eine Gegend zu genießen, wenn mir ständig die feuchten Klamotten am dreckigen Leib kleben! Die Grenzübergänge haben wohl auch ihren Teil zur Ambivalenz beigetragen, wobei ich diese ganze Chaotik eigentlich noch spannend finde und mich davon herausgefordert fühle. Mal schauen, wie ich auf das ganze mit etwas mehr Abstand blicke? Im Moment bin ich einfach nur glücklich und zufrieden, wie gut die Reise bis hierher geklappt hat und was ich alles erleben durfte.
Nach der Erfahrung in Zentralasien weiß ich auch besonders die Performance meines Mopeds zu schätzen. Gestern habe ich die ersten 30.000 Kilometer dieser Reise zurückgelegt, ohne dass sich die KTM auch nur die kleinste Kleinigkeit geleistet hätte. Dabei habe ich ihr seit fast 24.000 km keinen Ölwechsel mehr spendiert. Das kommt jetzt in Bogota dran, wo Mauricio – Arianes Cousin, bei dem ich wohnen werde – für kommenden Freitag schon einen Termin beim KTM Händler verabredet hat. Jetzt muss nur noch der Flug über das Darien Gap klappen! Ojala!
Tjaha, wenn so Motoren zwischendurch nicht kalt werden, halten sie ewig. 😉
Viel Glück weiterhin!
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