28 Wieder auf Achse durch Mexikos Osten

Zwei Tage mehr oder weniger durchschlafen – das ist doch die beste Medizin! Am Donnerstag Abend wage ich mich erstmals wieder vor die Tür und begleite Steve zum Abendessen, wo es für mich nur eine kleine Portion Reis gibt. Aber immerhin bekomme ich noch etwas von dieser schönen Stadt zu sehen. Besonders faszinierend bleiben die vielen Tunnel zwischen den Stadtteilen.

Typische Tunnelszene in Guanajuato. Mitten im Wohnbezirk, unter den Häusern, die Tunneleinfahrt

Am Freitagmorgen fühle ich mich bereits soweit hergestellt, dass wir Guanajuato in Richtung Osten verlassen. Die Bronchien sind noch nicht ganz frei, doch Fieber, Gliederschmerzen und Kopfweh sind allesamt verschwunden. Was die Chemie so alles kann!

Blick zurück auf unsere Herberge / Lazarett für die letzten drei Nächte. Der beflaggte Balkon war unser.

Wir finden die Mopeds unangetastet an der Stelle vor, wo sie seit drei Tagen auf der Straße stehen. Das geht also auch in Mexiko! Drei Nächte lang waren sie Zeugen unendlicher Feierei. Jetzt sind sie wieder gefordert. Mitten im morgentlichen Verkehrschaos wühlen wir uns durch die gewundenen Gassen und Tunnels, bis wir die Stadtgrenze erreichen und auf überfüllten Vorstadtstraßen durch viele kleine Dörfer fahren, in denen die Menschen wie in einem Wimmelbild ihren Geschäften nachgehen. Es braucht über eine Stunde, bis wir die 30 Kilometer zur Schnellstraße Richtung Mexiko City erreichen. Ab da geht es schnurgeradeaus auf mautpflichtigen vierspurigen Straßen schnell voran. Mittags befinden wir uns auf dem äußersten Ring um Mexiko City, auf dem wir das im Smog daliegende Moloch halb umkreisen – niemals näher als 70 Kilometer an Downtown. Ist die Straße selbst auch monoton, so erfreut sich das Auge doch an der weiten Landschaft auf diesem Hochplateau. Sehr flache Gebirgskegel säumen die Ebene, in der viel Landwirtschaft betrieben wird. Besonders schön sind die Maisfelder, die ganz anders aussehen als bei uns. Der Zuckermais trägt nämlich oben einen braunen flaumigen Puschel, der sich wellenartig im Wind wiegt, was ein tolles Bild abgibt. Weniger schön sind die plastikfolienbedeckten Treibhäuser in denen Obst angebaut wird.

Eine gute Stunde später entdecke ich einen mir sehr bekannten Stadtnamen auf einem Ausfahrtschild, nämlich „Sahagun“. Da gibt es ein ehemalige Bombardierwerk, das ich 2016 kurz vor meinem Ausstieg aus der Firma noch besucht habe, um dort ein Lieferantenportal einzuführen. Und tatsächlich suchen und finden meine Augen das Werk in der Ferne am Fuße eines Bergrückens liegend. Ich erinnere mich daran, dass mir die landschaftlich schöne Lage des Werkes schon damals aufgefalllen war.

Am späten Nachmittag fahren wir durch Puebla, einer Millionenstadt, in der Volkswagen sein größtes mexikanisches Werk betreibt. Wir erwischen genau die Rush Hour und passen uns dem Fahrstil der Einheimischen an – irgendwie effektiv und macht Freude! Kurz darauffahren wir durch Tepeaca, einem netten, mittelgroßen Ort kolonialer Provenienz. Der zentrale Platz gefällt uns so gut, dass wir uns nach einer Bleibe umsehen und diese auch gleich neben dem Platz finden. Wie selbstverständlich dürfen wir unsere Bikes im Hoteleingang parken, dafür nehmen wir die Abstriche beim Zimmer gerne in Kauf.

Unser Hotel in Tepeaca
Parkplatz im Hoteleingang – da sind die Mexikaner sehr pragmatisch!

Es bleibt uns nach dem Einchecken noch etwas Zeit, im letzten Sonnenlicht die Stadt zu erkunden. In einer Kirche, deren Substanz schon ordentlich angegriffen scheint, können wir kurz einer Messe auf Spanisch folgen. Nach dem Sonnenuntergang leuchtet der Abendhimmel strahlenförmig am Horizont und verleiht der Stadt eine romantische Stimmung. Wir landen schließlich in einem Straßenrestaurant und beenden den Tag mit Burritos con Fricholes.

Das Stadtmuseum von Tepeaca hinter den typisch bunten Lettern mit dem Stadtnamen
In dieser Kirche können wir einer Messe lauschen – ein altes Gemäuer!
Abendhimmel eingefangen beim abendlichen Stadtbummel

Am Samstag bleiben bis zum Treffpunkt mit Dave in Oaxaca nur noch 325 Kilometer zu fahren. Diese haben es aber durchaus in sich. Wir verlassen nämlich die Mautstraßen und gönnen uns die kleinen Straßen im bergigen Hinterland. Das macht viel Spaß, der nur etwas durch die unzähligen schlafenden Polizisten getrübt wird. Ich habe irgndwann aufgehört, diese zu zählen, aber in der Größenordnung von 300-500 dieser hier „Tope“ genannten Schwellen haben wir pro Tag zu überwinden. Mit dem Moped kein wirkliches Problem, eher lästig! Aber für Autos und Lastwagen sind diese Dinger wirklich lähmend. Einige sind ja weich gefomt, doch die meisten sind sehr schroff, so dass man die Autos, die ohnehin häufig kurz vor dem Auseinanderfallen stehen, quasi darüber tragen muss. In den Ortschaften sorgt das allenthalben für schöne Staus, die mit dem Moped schnell passiert sind.

Heute kommen wir seit langer Zeit mal wieder in tiefere Höhenlagen und unterschreiten dabei sogar die Marke von 500 Metern. Dabei wird es unangenehm warm. Schöner Nebeneffekt hingegen ist der Wandel der Vegetation, die deutlich tropisch wird. Kakteen und Palmen tauchen auf. Überhaupt wird alles viel üppiger. Zum Glück geht es aber bald wieder bergauf, und wir erreichen Oaxaca am Nachmittag auf 1.550 Metern bei immernoch 28 Grad.

Etwas tiefer im Gebirge verändert sich die Vegetation ins tropische.
Üppige Vegetation überzieht die Berge, die hier noch immer an die 3.000 m reichen.

Wir quälen uns durch die verstopften Straßen dieser gar nicht mal kleinen Stadt und suchen als Treffpunkt mit Dave eine Straße mitten im Zentrum mit vielen Hotels. Zum ersten mal in Mexiko haben wir Schwierigkeiten ein freies Zimmer zu finden. Es ist Samstag und Oaxaca ein Feierort für viele Mexikaner aus dem Umland. Schließlich ergattern wir in einem schicken Hotel eine große „Habitacion“ mit zwei Räumen, die uns zu dritt reicht. Dave kommt kurze Zeit später auf seiner BMW 1250 GS angefahren. Er ist genauso sympathisch, wie ich ihn seit nunmehr zwei Wochen regelmäßig am Telefon erlebe. Die Stimmung im nunmehr Dreierteam ist von Anfang an prächtig. Steve und Dave haben beide einen großartigen Humor!

Wir wohnen im historischen Zentrum von Oaxaca

Nachdem das Kennenlernen und das Einrichten im Zimmer hinter uns liegen, begeben wir uns auf einen Stadtbummel. Eine Panflötenband neben dem Dom lässt bei mir Heimatgefühle aufkommen. Gerade als ich Steve und Dave erkläre, dass wir bei uns die gleichen Gruppen in den Städten finden und diese dort immer „El Condor passa“ spielen, stimmt diese Combo genau diesen Titel an! Wir genießen den Abend in der brodelnden Innenstadt und werden wieder mal Zeuge der Feierfähigkeit der Mexikaner. Diesmal waren wir aber klüger und haben unser Zimmer nicht mitten in der Feierzone gewählt und können in Ruhe schlafen.

Man fühlt sich fast wie zuhause in der Fußgängerzone. Natürlich spielt man „El Condor passa.“
An der Plaza Mayor von Oaxaca nach dem Abendessen – Steve und Dave!
Die Kathedrale von Oaxaca am Abend

Am Sonntag geht es erstmals zu dritt auf Tour. Das klappt ganz wunderbar. Unsere Fahrstile passen gut zusammen – Opa like eben 😉 Bei Verlassen von Oaxata stellt uns das Wetter gleich auf die Probe. Noch bevor wir die Stadtgrenze erreichen, beginnt es aus Kübeln zu schütten. Die ganze Prozedur in die Klamotten zu steigen erfolgt im Dreck der Hauptstraße – wunderbar! Der ganze Zauber hält kaum 10 Minuten an. Das hätten wir besser abgewartet anstatt uns umständlich einzupellen. Denn jetzt grillt uns die Sonne unter der luftdichten Hülle. Also wieder anhalten und die ganze Prozedur wieder zurück! Am Ende erfreuen wir uns aber einer äußerst kurvenreichen Strecke durch traumhafte Landschaften, die je nach Höhenlage mal tropische, mal mediterrane Flora bietet. Ständige Aufreger bleiben die Schwellen in der Fahrbahn, die den Verkehr in den Ortschaften fast zum Erliegen bringen. Mit den Mopeds sind wir echt priviligiert. Eine Autofahrt würde wohl doppelt so lange brauchen. Auch heute begeistern mich die schönen Kakteen, die es besonders zahlreich in den Höhen oberhalb 1.200 Meter gibt.

Ein Prachtexemplar eines Kaktus am Wegesrand einer Passstraße
Ganze Berghänge voller Kakteen, die inmitten von Büschen und Bäumen wachsen

Die Fahrt ist ein einziges Wechselbad der Temperaturen. Ständig schwanken wir zwischen 2.300 und 600 Metern. Im Gleichtakt schwanken die Temperaturen zwichen 22 und 35 Grad. Die amerikanischen Freunde verzichten da leichten Herzens auf die Schutzkleidung und schnallen die Motorradjacken auf das Gepäck. Das traue ich mich dann doch nicht. Die Straßen und die mexikanische Fahrweise bergen doch ihre Tücken.

Die amerikanische Fraktion entledigt sich bei großer Hitze schon mal der Motorradjacken

Am Nachmittag kommen wir auf Meeresniveau. Etwa 100 Kilometer führt die Straße laut Karte am Pazifikufer entlang, gleichwohl vom Pazifik rein gar nichts zu sehen ist. Der Maßstab 1:2,25 Mio ist eben doch nur bedingt aussagekräftig. Allein die schwüle Hitze spricht für die Meeresnähe. 38 Grad und tief schwarze Gewitterwolken lassen wenig Wohlgefühl aufkommen. Bei dieser extremen Hitze erneut in die Regenklamotten zu steigen, kostet echte Überwindung! Zum Glück verschafft das Gewitter schnell Abkühlung auf immerhin 25 Grad. Irgendwie will mir aber scheinen, dass meine bisher immer so dichte Regenkleidung nun den Dienst quittiert. Sowohl oben als auch unten fühle ich die Nässe hineinkriechen – was ist das denn auf einmal? Ein Malheur, dem ich noch auf den Grund gehen muss! Der Regen lässt bald nach, beginnt aber wenig später, als wir die Küste wieder Richtung Berge verlassen. Nur jetzt wird es dabei Richtig kalt!

Nach fast 500 Kilometern – eine enorme Tagesetappe bei diesen Straßen – landen wir einigermaßen nass in Cintalapa, einer wenig attraktiven, ärmlichen Stadt in den östlichen Bergen Mexikos. Das Hotel Leon, dass wir aufsuchen, sieht von außen um einiges attraktiver aus als es drinnen wirklich ist. Mangels Alternative bleibt es aber dabei. Selbst in diesem traurigen Ort wird rund um die Plaza Mayor ordentlich abgefeiert. Wir essen sehr gut und genießen anschließend zum ersten mal Churros, die auf der Straße angeboten werden. Da würde Ariane sich jetzt sehr drüber freuen. Sie liebt Churros!

Unser Hotel Leon in Cintalapa – außen hui, innen pfui!

Am heutigen Montag (17.10.) beginnt unser letzter Tag in Mexiko. Es sind noch gut 300 Kilometer bis zur Grenze nach Guatemala. Der letzte größere Ort davor ist Comitán, unser heutiges Etappenziel, nur 240 Kilometer zu fahren! Wir genießen jeden dieser letzten Kilometer in Mexiko. Bei bequemen 22-25 Grad und teils bewölktem Himmel spüren wir die Grenzregion näher kommen. Die Straßen werden noch schlechter, die Behausungen der Menschen noch ärmlicher. Bis hierher reicht offensichtlich nicht das Care-System aus Mexiko City!

Unerwartet: Ein See am Wegesrand – das gabe es schon lange nicht mehr!

In Comitán finden wir dann das bislang schönste Hotel des zweiwöchigen Trips durch Mexiko. Schöne Zimmer mit einem Bad, das warmes Wasser mit ausreichendem Wasserdruck liefert, dazu ein schnelles und stabiles Internet – alles eher selten anzutreffende Goodies in mexikanischen Hotels! Comitán reizt mit einem sehr kleinen aber schönem Zentrum rund um die Plaza Mayor, wo wir vorzüglich zu Abend essen. Alles in allem ein sehr gelungener Abschied aus Mexiko, das ich nach zwei Wochen mit einer Mischung aus Erleichterung und Vorfreude auf neues, fremdes Territorium verlasse.

Eine Übernachtung der Extraklasse in Comitán – letzte Nacht in Mexiko!

Es gibt eigentlich gar nichts schlechtes über dieses Land zu sagen. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt konkret unsicher gefühlt, bin fast nur freundlichen Menschen begegnet, habe stets korrekte und nette „Offizielle“ – sprich Polizisten und Soldaten – angetroffen und habe auf dem größten Teil des Weges tolle, beeindruckende Landschaften erlebt – ein besonderes Highlight war dabei der Canjon del Cobre. Trotzdem bin ich niemals so gänzlich warm geworden mit diesem Land. Ich kann wirklich nicht sagen, woran es liegt! Und jetzt bin ich im positiven Sinne schon sehr aufgeregt und gespannt auf das, was uns ab morgen in Guatemala erwartet. Dabei wird von besonderem Interesse sein zu sehen, inwieweit der Hurricane Julia Schäden hinterlassen hat, die uns in unserem Fortkommen behindern. Man hört da so vieles! Erst wenn wir Guatemala, El Salvador und Honduras erleben, können wir einschätzen, ob wir es in 13 Tagen nach Panama City schaffen werden, was nötig ist, um am 2.11. die Mopeds und uns selbst nach Bogota zu schaffen. Für die Buchung bleibt uns noch eine Woche Zeit.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s