Las Vegas ist eine Welt für sich, aber sicherlich keine für mich! Nachdem wir uns erst im Hotelzimmer, dann am Pool ausgeruht haben, machen wir uns am späteren Nachmittag zu Fuß auf den Weg zum Las Vegas Boulevard, der hier einfach nur „Strip“ genannt wird. Das sind etwa 1500 Meter, was bei 37 Grad schon ein ordentlicher Marsch ist. Einmal auf dem Strip angekommen, laufen wir meistens durch die riesigen klimatisierten Casinolandschaften, die allesamt miteinander verbunden sind. Auf der Straße ist es in vielerlei Hinsicht nicht gut aushaltbar. Zum einen ist es die Hitze, zum anderen das Publikum, das von grölenden Halbstarken über alkoholisierte Gruppen bis zu einer ausgeprägten Drogenszene so ziemlich alles zu bieten hat, was ich gar nicht sehen will. Der Kontrast zwischen verschwenderischer Maßlosigkeit und bitterem Elend auf dem Strip könnte größer nicht sein, als er sich uns präsentiert.
In früheren Zeiten rivalisierten alle Casinos miteinander und es herrschten mafiöse Strukturen mit der entsprechenden Kriminalität auf dem Strip. Heute sind die unzähligen Casinos allesamt in nur zwei Händen organisiert, und alles läuft geordnet und im Rahmen der Gesetze. Dafür sind die Casinos auch kaum noch unterscheidbar; alles geschmacklose Tempel ohne jegliches Tageslicht, vollgestellt mit wild leuchtenden Slot Machines und dazwischen einzelne Tische an denen Roulette, Craps oder Black Jack gespielt wird. Während an den Tischen zum Teil noch ein wenig Stimmung und gesellschaftliches Treiben beim Spielen zu beobachten sind, so ist jedoch der Anblick der vielen überwiegend weiblichen Spielerinnen fortgeschrittenen Alters an den Slot Machines, wie sie da – meistens ketterauchend und trinkend – einsam ihr ödes Spiel treiben, ein sehr trauriger!
Wir beobachten so manches Roulette- und Crapsspiel, was durchaus interessant ist, doch letzteres ist uns auch nach längerem Zuschauen noch immer ein Rätsel. Nachdem wir einige Stunden durch etliche Spieltempel geschlendert und langsam etwas kirre von all dem Treiben und Lärm sind, suchen und finden wir unter den vielen schlechten und überteuerten Fresstempeln einen ganz ansprechenden und reellen Pub, in dem wir ausgezeichnet zu Abend essen.


Der Rückweg gestaltet sich aufgrund wirklich guter musikalischer Darbietungen erheblich angenehmer als der Hinweg. Zunächst zieht uns ein geniales Trio, bestehend aus 2 Pianisten und einem Guitaristen in seinen Bann. Die drei spielen stand-up alles, was das Publikum wünscht und zeigen sich dabei von bemerkenswerter Virtuosität. Etwas später passieren wir draußen auf dem Strip eine Bühne, auf der eine Band klassische Rocksongs covert und dabei eine großartige Stimmung verbreitet. Müde und platt kehren wir kurz vor Mitternacht ins Hotel zurück, wo wir uns dankbar in den Schlaf fallen lassen.


Am Sonntagmorgen wache ich mit Katerstimmung auf. Der turbulente Abend auf dem Strip schwirrt mir noch im Kopf herum und der bevorstehende Abschied von meiner Liebsten heitert die Stimmung auch nicht gerade auf. Wir verbringen den Morgen mit dem Umsortieren unseres Gepäcks, das wir über die vergangenen drei Wochen so aufgeteilt hatten, dass wir nachts nur 2 der 4 Taschen öffnen mussten. Jetzt muss alles für meine Weiter- und Arianes Heimreise sauber getrennt werden.
Als das geschafft ist, satteln wir das Moped auf und suchen auf dem Strip ein französisches Restaurant auf, in dem wir zum Abschied noch schön zusammen zu Mittag essen. Das Parken des beladenen Mopeds auf dem Strip gestaltet sich sehr schwierig. Wir stellen es absolut verboten auf dem Gehweg ab, so dass wir von der Restaurantterasse ab und zu mal nachschauen können, und wir sind selbst erstaunt, dass sich niemand daran stört. Nach zwei Stunden steht es ohne Ticket oder Kralle noch an der gleichen Stelle und bringt uns in nur zehn Minuten zum sehr zentral gelegenen Flughafen von Las Vegas. Dort will man mein Moped nicht vor der Abflughalle stehen haben. Da hilft es, den Aufpasser in ein angeregtes Gespräch zu verwickeln. Nach fünf Minuten weiß er über meine Reise bescheid, und ich habe seine Corvette-Sammlung auf den Handyphotos ausreichend bewundert und gelobt. Danach darf ich bleiben und kann auf Ariane warten, bis sie eingecheckt ist. Es bleibt uns etwas Zeit für die Verabschiedung, was es letztendlich nicht einfacher macht. Wir hatten in den letzten drei Wochen eine großartige Zeit zusammen, die wir wohl beide gerne noch etwas ausgedehnt hätten. Mit einer Träne im Knopfloch sehe ich meine Sozia im Rückspiegel winkend kleiner werden und spüre einen dicken Klos im Hals. In diesem Moment wäre ich gerne mitgeflogen.

Aber das ist selbstverständlich quatsch! Ich habe es schließlich selbst so gewählt und freue mich ja auch über die bevorstehende Reise durch so viele exotische und unbekannte Länder. Es ist nur eine momentane Stimmung! Da ist es auch nicht gerade hilfreich, dass mir jetzt eine langweilige Fahrt auf der Interstate 15 über 450 Kilometer bei 37 Grad nach Los Angeles bevorsteht. Die Fahrt ist denn auch kein Vergnügen. Heiß und ständig von den sehr schnellen LKW überholt, beiße ich mich durch den heißen Gegenwind der Wüste, hänge dabei den schönen Erinnerungen an die gemeinsamen Erlebnisse nach. Ich zähle in Gedanken die ganzen Nationalparks und die einzelnen Übernachtungen auf, sehe uns nochmal in Yellowstone, Arches und Antilope Canyon, erlebe die schönen gemeinsamen Tage mit Brenda und Steve und verkürze mir damit die lange Fahrzeit zur Pazifikküste. Bei Sonnenuntergang erreiche ich schon die Peripherie von Los Angeles und genieße die deutliche Abkühlung durch den Einfluss des Pazifiks. Um halb acht fahre ich dann in der Knox Avenue vor dem Haus von Philip, Steves Sohn, und Brittany, seiner Freundin vor, wo Steve mich schon freudig, vor der Tür winkend, erwartet.
Der nette Empfang und die Gesellschaft tun mir jetzt gut. Wir verbringen einen unterhaltsamen Abend, bestaunen Harlow, die 4-monate alte Tochter von Philip und Brittany, und dann freue ich mich über ein kuscheliges Schlafeckchen, in dem ich erstamals nach drei Wochen wieder meinen Schlafsack ausbreite.
Am Montagmorgen gibt es gute und schlechte Nachrichten. Die gute Nachricht: Ariane ist gut zuhause angekommen! Die schlechte: Steve hat Zahnschmerzen und muss zum Dentisten. Dieser stellt eine Wurzelentzündung fest, die erstmal die für Mittwoch geplante Abreise nach Mexiko infrage stellt. Dann geht aber alles ganz schnell. Noch für den gleichen Nachmittag bekommt er einen Termin beim Spezialisten für Wurzelbehandlungen. Da bleibt zuvor noch Zeit für einen Ausflug zum Pazifikstrand bei Malibu! Ein super schöner Strand und ein tolles, erfrischendes Badeerlebnis!


Auf dem Rückweg erhasche ich aus dem Autofenster einen Blick auf die Skyline von Los Angeles. Auch den Hügel mit der Aufschrift „Hollywood“ sehe ich aus der Ferne, kriege ihn aber nicht vor die Linse.

Am Abend ist Steves Wurzelbehandlung erfolgreich beendet. Für morgen folgt noch ein weiterer Besuch beim ersten Zahnarzt, der noch die Krone wieder herstellen muss. Erstaunlich, wie schnell das hier alles geht.
Am heutigen Dienstag haben wir dann alles erledigt, was es in LA zu erledigen galt. Zahnbehandlung abgeschlossen und Reifen gewechselt. Bei Steve waren beide Reifen fällig, bei mir nur der vordere. Das ganze war mit viel Herumfahren verbunden und hat am Ende auch nicht zu den Wunschreifen geführt, doch jetzt verbringen wir hier eine letzte Nacht und morgen früh (Mittwoch) geht es planmäßig an die mexikanische Grenze. Ich bin schon sehr auf dieses Land gespannt!
Ich wünsche Dir weiterhin eine gute Fahrt.
Tante Rosi
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