Da kennt man sich schon 35 Jahre, und es ist noch immer aufregend, wenn wir uns nach 7 Wochen Trennung wieder sehen! Ich bin in Calgary angekommen, wo ich am heutigen Samstagabend Ariane vom Flughafen abholen werde. Der Weg von Vancouver nach Calgary war sehr spannend und auch abwechslungsreich. Am Dienstagmorgen beginnt alles mit einem weiteren schweren Abschied. Jane, Doug, Amy und auch Olli stellen sich im Garten zum Abschiedsphoto auf.


Es waren sehr schöne Tage bei den Knills, ich habe mich bei Ihnen sehr, sehr wohl gefühlt und eine Menge von der Umgebung und den Menschen zu sehen bekommen. Das hier wird sicherlich kein Abschied für immer sein, den Jane und Doug sind sehr reisefreudig. Am 12.9. fliegen sie zunächst nach England und besuchen dort Jane’s Vater. Dann werden sie Portugal bereisen. Wir fassen mal ins Auge, in nicht allzu weiter Zukunft gemeinsam die nordischen Länder Europas zu bereisen.
Ich verlasse Vancouver auf dem Highway 1, auf dem ein Gewusel herrscht, dass ich schon seit sieben Wochen nicht mehr gewohnt bin. Die Skyline von Vancouver ist schon beeindruckend, und mit den dahinter aufragenden Bergen – zum Teil schneebedeckt – gibt sie ein besonders schönes Bild ab. Mich begleitet jetzt wieder einmal der alles beherrschende Fraser River, ein Fluss, der mich schon so häufig begleitet und immer wieder ob seiner überraschenden Streckenführung irritiert hat. Hier im unteren Teil des Flusses entdecke ich auch wieder die eigenartige Methode des Holztransportes, die mir schon 2011 aufgefallen war. In großen Verbänden werden nämlich ganze Baumstämme nach Vancouver verflößt. Ökologisch und ökonomisch sicherlich sinnvoll, aber es verwundert, dass das Wasser nicht dem Holz schaden soll.


Auf dem Weg von Vancouver nach Calgary durchquere ich einmal komplett die Rocky Mountains. Es geht durch viele Provincial Parks. Berge und Täler, Flüsse und Seen reihen sich aneinander, und es sind unzählige Skigebiete ausgeschildert, die auffallend häufig indigene Namen tragen. Am Rande des Manning Parks entdecke ich zur Rechten eine gigantische Kupfermine, die die Berge großflächig aufgegraben, bzw. abgetragen hat. Am Straßenrand stehen Schilder, die sagen „What you can’t grow you have to mine!“ Das ist auch eine Sichtweise! Der Landschaft tut’s aber weh!

Am späten Nachmittag erreiche ich Princeton, einen hübschen Ort am Similkameen River. Eigentlich habe ich mir ungefähr hier das Etappenende für heute gesetzt. Doch während ich im Dorfzentrum meine Photorunde drehe, spricht mich ein Pärchen aus Victoria auf Vancouver Island an. Die üblichen Fragen nach dem Wohin und Woher, und dann ganz unvermittelt das Angebot, sie hätten für heute Abend eine Reservierung auf dem schönen Cattle Creek Campground in Rock Creek. Da könnte ich auf ihrem Platz mein Zelt aufschlagen, und man hätte einen schönen gemeinsamen Abend am Lagerfeuer. Kann ich ein solches Angebot ablehnen? Nein, kann ich nicht! Also geben mir Nina und Doug sowohl Platz- als auch Telefonnummer, und man verabredet sich für später. Da erst sehe ich, dass es bis Rock Creek noch stolze 175 Kilometer sind. Naja, egal, verabredet ist verabredet!
Auf dem Weg nach Rock Creek verlasse ich das Tal des Similkameen Rivers und quere bei Osoyoos das Tal des Okanogan River. Schon von weitem sehe ich aus meinem sonnigen Tal die Rauchschwaden von etlichen Waldbränden, die derzeit entlang der amerikanischen Grenze wüten. Auf einmal wird es ganz dunkel. Ich fahre quasi die ganze Zeit genau an der Grenze der Rauchschwaden vorbei. So entstehen unglaubliche Bilder, wie das von der durch Rauch rot gefärbten Abendsonne, die sich im Fluss knallrot spiegelt. Es ist ein wunderschönes Spektakel, wenn doch der Grund dafür nicht so traurig wäre. Waldbrände sind in dieser Gegend zwar nichts besonderes, aber in diesem Jahr hat es viel größere Flächen Waldes vernichtet als jemals zuvor. Derzeit sollen alleine in Kanada mehr als 200 Waldbrände aktiv sein!

Als ich in das Tal des Okanogan hineinfahre, sehe ich schon auf der anderen Seite des Flusses, wo ich gleich wieder aus dem Tal herausfahren werde. In dem diffusen Licht sieht es so aus, als ob ich in den Schnee fahren würde. Über eine schöne Serpentinenstraße verlasse ich das Tal wieder in Richtung Sonne und erhasche im Rückspiegel ein tolles Farbenspiel auf dem Okanogan River, dass ich gleich festhalten muss.


So erreiche ich nach einer aufregenen Fahrt mit tollen Naturschauspielen so gerade noch im Hellen den Cattle Creek Campground, an dem just im gleichen Moment auch Nina und Doug eintreffen. Wir bauen zusammen unser Nachtlager auf und verbringen dann einen sehr unterhaltsamen und gemütlichen Abend am Lagerfeuer, das trotz der hohen Waldbrandgefahr ausdrücklich erlaubt und mit Feuerholz vom Campingwart unterstützt wird.

Am Morgen werde ich mit einem tollen Frühstück aus der üppigen Küche des Campingmobils verwöhnt. Es gibt Rührei mit Bratkartoffeln und Granola mit Joghurt – ein Festmahl für mich! Die beiden sind auf einer vierwöchigen Reise durch die Rockies. Doug fährt auch leidenschaftlich gerne Motorrad und wäre wohl auch lieber auf seiner Moto Guzzi unterwegs, doch das Campingmobil scheint der gemeinsame Nenner für Nina und ihn zu sein. Erst gegen Mittag verabschieden wir uns, nachdem mir Doug noch gute Tipps für die weitere Streckenwahl gegeben hat. Ein weiterer schwerer Abschied – womöglich auf immer!

Doug’s Empfehlung folgend, ändere ich die Route und fahre über Castlegar nach New Denver, anstatt an der amerikanischen Grenze zu bleiben. Ich komme durch nette Örtchen, die selten aus mehr als ein paar Dutzend Häuschen bestehen – oftmals im Westernstil, wie Grand Forks. In New Denver nehme ich den Highway 31a, der auf der kanadischen Liste der schönsten Highways den fünften Platz belegt, so Doug! Und in der Tat werde ich in der Abendsonne mit traumhaften Landschaften belohnt.

Kurz vor sechs komme ich durch Kaslo, einen schönen Ort am Kootenay Lake gelegen, und sehe dort einen verheißungsvollen Kiosk, der Lachsburger verkauft. Ich will ja heute noch in Balfour die Fähre auf die andere Seeseite nehmen. Also verabschiede ich mich angesichts der Warteschlange vor dem Kiosk von der Idee eines netten Abendessens und steuere stattdessen schnellstmöglich den Fähranlieger in Balfour an.

Dort angekommen, sehe ich gerade noch die Fähre ablegen – 3 Minuten zu spät! Es gibt zwar noch eine Fähre heute Abend, aber dann wird es schon dunkel sein. Also muss ich mir auf dieser Seite des Sees noch ein Schlafplätzchen suchen. Das wird leider kein einfaches Unterfangen. Ähnlich wie schon am Lake La Hache letzte Woche, sind die Leute hier so ganz anders drauf als die meisten Kanadier. Wieder hole ich mir einen Korb nach dem anderen beim Versuch ein nettes Plätzchen am Seeufer mit meinem kleinen Zelt zu bedecken. Zuletzt finde ich eine super glatte Wiese neben einem verlassenen großen Campingbus, das offensichtlich als eine Art Wochenendhaus dient. Hier erfahre ich, was es mit den Schildern „Neighbourhood Watch Area“ auf sich hat, die ich des öfteren am Straßenrand gesehen habe. Der Nachbar kommt wie eine Dampflock schnauben herangeeilt und verweist mich des Platzes! So finde ich nur einen Kilometer weiter mal wieder eine überdachte Piknikfläche, die im Gebüsch ein eher vergessenes Dasein fristet und mir jetzt als Schlafstatt ohne Zelt dient.

Schon früh verlasse ich meine „Herberge“ und nehme um 8 die erste Fähre auf die andere Seite des Kootenay Lake. Wie alle Fähren in Kanada, die eine Lücke im Highway schließen, ist auch diese hier kostenfrei. Die Überfahrt dauert 35 Minuten und ist so früh am Morgen noch recht frisch.

Auf der anderen Seite angekommen, fahre ich nur 12 Kilometer nach Süden und nehme dann, dem Tipp von Doug folgend, den Gray Creek Pass nach Kimberley. Er soll mit 2.060 Meter der höchste Pass in Kanada sein und ist nicht asphaltiert. Im Gegensatz zu den sonstigen Pisten in Kanada ist er sogar sehr felsig und somit anspruchsvoll zu befahren. Auf den ersten 56 km geht es nur durch einsame Wälder. Erst im letzten Teil tut sich ein wunderschöner See, der St. Mary Lake, auf.


Nach 90 Kilometern erreiche ich komplett eingestaubt Kimberley, einen adretten Wintersportort. Dort erreiche ich Ariane, die schon fast im Aufbruch ist. Im Visitor Center frage ich nach einer der vielen Heißen Quellen in dieser Gegend, die aber nicht kommerziell vermarktet, sondern naturbelassen zu besuchen ist. Die Frau hinter dem Tresen ist ganz enthusiastisch und empfiehlt mir eine Stunde entfernt die „Lussier Hot Springs“, die über eine 18 km lange Staubpiste zu erreichen sei. Meine frisch gewaschene Mopedkleidung ist mit dem heutigen Tag sofort wieder patiniert, doch dieser Abstecher lohnt wirklich. Eine Zahl von bestimmt 10 parkenden Autos am Rande der Piste bei Kilometer 18 verrät mir, dass ich hier in den „Lussier Hot Springs“ nicht alleine sein werde. Und das bestätigt sich auch nach dem 5-minütigen Abstieg in das Flusstal! Aber das Badeerlebnis ist einfach genial! Aus großen Felsen hat man hier mehrere Becken am Rande des Flusses abgetrennt. Die oberen sind wärmer und die unteren in Flussnähe entsprechend kälter. Ich wähle das oberste mit über 40 Grad Celsius, treffe dort auf 2 Holländer und einige Kanadier, die sich gerade über Justin Trudeau auslassen – der Mann ist bei seinen Landsleuten wirklich nicht beliebt! Beim Aufstehen sinkt der Blutdruck mächtig in den Keller, und ich muss mich festhalten, um nicht gleich umzufallen!

Sauber und bereit für die nächste Staubdusche, mache ich mich wieder auf die 18 Kilometer zurück zum Highway nach Radium Hot Springs. Jetzt sind viel mehr Fahrzeuge auf der Piste unterwegs als vorhin, vor allem die Pick-ups, die man hier Truck nennt. Diese wirbeln atompilzartige Staubwolken auf, wenn sie über die Pisten heizen. Da heißt es immer schön „Ausatmen“ und Augen schließen! Nach 15 Minuten ist das Staubbad vollendet.
Auf dem Highway fahre ich entlang des Columbia Lake erst nach Fairmont Hot Springs und dann nach Radium Hot Springs. Die heißen Quellen gibt es hier überall. Wunderschön begleiten mich Bergketten der Rockies vor blauem Himmel mit kleinen Cumuluswolken.

Hinter Radium Hot Springs betrete ich, wie schon vor 4 Wochen, den Banff-Jasper-National-Park, zahle die Parkgebühr und erlebe die schöne Bergwelt von Banff in der Abendsonne. Es ist bereits empfindlich kühl in dieser Höhe, aber hier im Nationalpark sind Schlafplätze Mangelware, weshalb ich die 150 Kilometer durch den Park noch durchhalten werde. Immer wieder beeindrucken mich die tollen Formen der Bergketten im Nationalpark, die über den schattigen Wäldern bunt erleuchtet in der Abendsonne glühen.


20 Kilometer hinter Banff verlasse ich den Nationalpark und wähle in Anbetracht der Kälte von nur noch 7 Grad den ersten geeigneten Schlafplatz gleich neben dem Highway und dem Visitor Center von Canmore. Eine schöne Wiese mit Bänken unter den Bäumen bietet den besten Platz für mein Zelt. Gleich nebenan treffe ich auf James, der mir ein Fahrradreisender zu sein scheint. Aber Irrtum: James stammt aus Canmore und arbeitet auch hier, aber er hat kein Dach mehr über dem Kopf, seit es sein Vermieter vorgezogen hat, seine Wohnung als Airbnb zu vermieten. Da verdiene er in 2 Monaten mehr als bei der Festvermietung im ganzen Jahr. Wohnungen sind auf diese Weise in Canmore Mangelware, und das treibt selbst die arbeitende Bevölkerung auf die Straße, bzw. ins Zelt. Wir unterhalten uns kurz, denn mir ist so kalt, dass ich eigentlich nur noch in den Schlafsack will. James macht mich noch mit den ausgezeichneten Sanitäranlagen des Visitor Centers vertraut, dann Gute Nacht! Ich telefoniere am späten Abend noch mit Ariane, die schon in Berlin am Flughafen auf das Einsteigen wartet – es läuft alles nach Plan! Wie aufregend!

Am heutigen Samstagmorgen bleibe ich lange im Schlafsack liegen. Zum einen habe ich es nicht mehr weit zum Flughafenhotel in Calgary – nur noch 112 km – zum anderen ist es am frühen Morgen noch zu kalt zum Losfahren. Erst um halb elf sitze ich wieder im Sattel und erreiche kurz nach Mittag Calgary. Noch ein kurzer Einkauf, damit für die Liebste bei Ankunft etwas im Kühlschrank sein wird, und dann mache ich mich auf zum Hotel, in der Hoffnung, dass ich um diese Zeit schon das Zimmer beziehen kann. Ich kann! Dann genieße ich die schöne Dusche, wasche meine staubigen Klamotten und schreibe diesen Blog.
In zweieinhalb Stunden werde ich dann am nahegelegenen Flughafen Ariane nach fast 20-Stündiger Reise abholen. Der Flug geht von Berlin über Frankfurt und Vancouver nach Calgary – ein langer Weg, doch meiner war länger!
HI Wolfram
Wie immer voll interessante Beschreibungen aus deiner Reise. Ich wünsche dir und Ariane einer schöne zeit zusammen.
Wenn es kommt soweit und eure reise nach der Nordische Ländern geht los zusammen mit den Knills sind ihr alle Herzlichen eingeladen zu einer Zwischenstopp bei uns in Mariager.
cheers Carsten
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