So schnell schon wieder ein Blog von mir? Ja, es sind nur eineinhalb Tage vergangen, doch der Besuch bei den Lachse fangenden Grizzlies und die Sintflut auf dem Weg nach Stewart sind es wert, erzählt zu werden. Gestern habe ich Watson Lake erst am späten Nachmittag verlassen, um bei dem schönen Wetter noch ein gutes Stück des Weges gen Stewart zurückzulegen. Die Wetterapp verheißt nämlich nichts gutes für die Regionen in Küstennähe. So fahre ich noch bis in die Dämmerung bis Dease Lake, wobei mich kurz vor Schluss doch noch ein Schauer erwischt. In meinem Optimismus habe ich darauf verzichtet, die Regenhose anzuziehen, die Regenjacke habe ich aus Kältegründen an. Das war keine so gute Idee! Mit leicht klammer Hose erreiche ich Dease Lake, das immerhin aus einer Tanke, zwei Motels und ca. 20 Häusern besteht. In Anbetracht des Wetters und mangels eines Campgrounds der über ein überdachtes Schelter verfügt, überlege ich mir für heute tatsächlich ein Zimmer in einer der beiden Motels zu nehmen, doch Pustekuchen! An beiden Häusern leuchtet in fetten Lettern „No Vacancy“! Na toll! Aber irgendwo muss es doch ein überdachtes Plätzchen in diesem Ort für mich geben! Gedacht und gesucht – da finde ich am Ende einer kleinen Seitenstraße doch tatsächlich diese Art Carport neben einem Haus.

Etwas Skrupel habe ich schon, mich dort einfach so einzurichten. Also klopfe ich brav an der Tür des benachbarten Hauses, doch niemand öffnet. Dann eben doch ohne Genehmigung! Geschützt durch mein Motorrad baue ich mein Nachtlager hinter ebendiesem auf. Aus dem leichten Regen wird ein heftiger Landregen, der die ganze Nacht durch andauert. Ich indes liege gemütlich warm und trocken im Schlafsack und genieße diesen Erfolg – einfach unbeschreiblich!
Am frühen Morgen überrascht mich dann ein relativ freundlicher Himmel, so dass ich die Gunst der Stunde nutzen will und mich gleich auf den Weg mache. Ich glaube, es hat niemand überhaupt bemerkt, dass ich hier war. Heute packe ich mich aber vorsorglich von Anfang an in die Regenhaut. Es sind noch 400 Kilometer bis Stewart. Diese fahre ich zwar durchweg auf nassen Straßen, doch der Regen erwischt mich erst gut 100 km vor Stewart, dafür aber um so heftiger! Eine wahre Sinnflut bei immerhin 13 Grad bringt die Regenhaut an ihre Grenzen. 30 Kilometer vor Stewart taucht linker Hand ein sehr eindrucksvoller Gletscher auf, der bis auf 400 m herabkommt. Da muss ich trotz Regens einen Photostop einlegen!


In Stewart fackele ich nicht lange, sondern frage in der Touristeninfo gleich nach einem Zimmer, denn hier regnet es bereits seit Wochen durchgehend, und dementsprechend ist auch alles aufgeweicht und unter einer Dunstglocke. Ich finde ein ganz nettes Zimmer bei einem Österreicher im Bayview Hotel, das für hiesige Verhältnisse sogar günstig ist. Dort lade ich nur schnell mein Gepäck ab, kaufe im Internet schnell noch ein Ticket für den Fish River Creek National Forest und fahre, so nass wie ich bin, gleich weiter zur Grenze, reise abermals nach Alaska ein, um in besagtem Fish River Creek hoffentlich Grizzlies beim Lachsefangen zu entdecken. Es regnet weiterhin aus vollen Kübeln, aber mir macht es in meinen Klamotten nichts mehr aus. Zu sehr bin ich gefesselt von der Möglichkeit, gleich einen Grizzly zu entdecken. Ich zeige am Eingang zur Beobachtungsplattform mein zuvor erworbenes elektronisches Ticket und darf auf den langen Holzsteg entlang des Fish River Creek.

Nach einer guten halben Stunde gespannten Wartens und angestrengten Spähens sehe ich jenseits des Fish River Creek oben im Wald zwischen zwei Stromleitungen eine Bewegung. Es kostet etwas Mühe zu erkennen, was das ist, doch durch die Linse wird mir klar: Das ist ein Grizzly! ERKENNT IHR IHN?

Kurze Zeit später ist er verschwunden. Ich vermute, er wird auf dem Weg zu den Lachsen sein. Weitere 15 Minuten danch habe ich die Hoffnung bereits aufgegeben, als der Grizzly plötzlich doch aus dem Gebüsch in den Fluss kommt. Leider hält er sich nicht lange dort auf. Zwei Anläufe, sich einen Lachs zu schnappen, gehen schief, und sogleich gibt er frustriert auf und verlässt die Bühne – schade! Ein hübsches Tier und noch recht jung.



Das war eine kurze, aber sehr nette Vorstellung. Die Saison für dieses Schauspiel ist schon weit fortgeschritten. Die Dokumentation am Eingang zeigt, dass in den letzten Tagen nur etwa 5-8 Auftritte pro Tag registriert wurden. Da kann ich mich schon glücklich schätzen, dass ich so schnell bedient wurde. Optimistisch wie ich nunmal bin, warte ich aber weiter in der Hoffnung, dass dies nicht der einzige Bär ist, den ich hier zu sehen bekomme. Und tatsächlich zeigt sich am anderen Flussufer kaum 10 Minuten später ein richtiges Kaliber eines Grizzlies. Gewaltig trottet er zunächst dem Flussufer entlang und kommt mir geradewegs entgegen – ein irrer Anblick!



Dann wagt er den Gang ins Wasser und sucht dort den Boden ab. Durch den vielen Regen ist der Wasserstand sehr hoch, was den Grizzlies die Arbeit sehr erschwert. Sie fangen die Lachse indem sie auf sie treten und sie dann, während sie sie mit der Tatze am Boden halten, im Wasser verzehren. Oder sie schlagen den Lachs mit der Tatze aus dem Wasser ans Ufer und genießen ihn an Land. Beides geht leichter, wenn das Wasser flach ist. Auch dieser Kollege bleibt leider erfolglos, obwohl er wesentlich mehr Ausdauer an den Tag legt. Etwa 10 Minuten bleibt er mir ein willkommenes Linsenfutter! Eine kleine Auswahl seht Ihr im folgenden.





Am Ende trollt sich der große Grizzly ohne Lachs flussabwärts. Vor dem Winterschlaf braucht so ein Grizzly bis zu 40 Kg Lachs am Tag, um seine Bedarf an Fett und Eiweiss zu decken, damit er sein Gewicht verdoppeln kann, um über den Winter zu kommen. Das sind 6-8 große Lachse am Tag!
Andere Grizzlies waren offensichtlich erfolgreicher. Das beweisen die vielen halb aufgefressenen Lachse am Ufer, die jetzt den Möwen als Speise dienen. Die Natur verschwendet eben nichts!

Ich warte noch eine weitere Stunde, doch niemand zeigt sich mehr aus dem Bärenland. Ich bin aber mehr als glücklich über die schönen Bilder und Szenen, die sich mir hier geboten haben. Dafür hat sich die weite Anfahrt und das Nasswerden allemal gelohnt. Zufrieden fahre ich zurück zum Hotel, freue mich auf mein warmes und trockenes Zimmer und auf die erste Dusche seit Tok vor 5 Tagen. Aus Alaska heraus muss ich wieder nach Kanada einreisen mit dem gleichen Aufwand, sprich Ausfüllen der kanadischen App, wie schon in Montreal und bei Chicken. Das ist erstaunlich, weil es hinter der kanadischen Grenze nur eine Sackgasse etwa 20 Meilen nach Alaska hinein gibt und jeder, der einreist auch spätestens nach ein paar Stunden wieder zurückkommt. Diese Südspitze von Alaska ist quasi eine Enklave, die mit dem Rest von Alaska keinerlei Verkehrsverbindung hat.
Hinter der Grenze fahre ich im Wasserdunst dem Lake Stewart entlang zum Hotel. Die Wolken hängen so tief, dass alles im Grau versinkt. Der See bietet ein gespenstisches Bild.


So, das sind meine Erlebnisse seit gestern in Watson Lake, die ich sogleich teilen wollte. Ich glaube, ich war selten bei einem solchen Schietwetter so zufrieden wie heute! Morgen geht’s vermutlich weiterhin im Regen nach Prince Rupert, wo ich am Mittwochmorgen um halb acht die Fähre nach Vancouver Island nehmen will. Die Reise geht durch einen Fjord und durch Inseln, die dem Festland vorgelagert sind, über 530 km nach Port Hardy, und bietet meiner Erinnerung nach eine traumhafte Landschaft.
Darauf freue ich mich sehr und hoffe, dass man mich mit dem Moped mitnimmt. Für Autos ist die Fähre jedenfalls ausgebucht!
Lieber Wolfram,
das war sicherlich beeindruckend „den Jungs beim Lachsangeln“ zuzuschauen.
Das Ziel würde sicherlich auch auf unserem Programm für Kanada stehen.
Weiterhin eine gute und sichere Weiterreise und genieße die Zeit auf der Fähre, um mal einen Abwechslung zu „Deinem Bock“ zu haben.🙂
Viele Grüße Bernd
P.S. Unsere Kinder „verfolgen“ Dich inzwischen auch schon….
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