Wie stellt man sich Alaska vor? Kalt und viel Niederschlag? Ja, so in etwa war meine Vorstellung. Aber bislang wurde ich positiv überrascht. Das sollte nun, zumindest vorrübergehend, eine Ende haben! Ich verabschiede mich sehr schweren Herzens von Pete am Dienstagmorgen, nachdem er mich ein letztes mal mit einem tollen Frühstück verwöhnt hat. Es gab frisch gemachte Bagels mit Spiegelei und vegane Frikadellen – sehr lecker! Ich hoffe, das wird kein Abschied für immer. Pete ist ein einziger Quell kluger und interessanter Gedanken, mit dem zu unterhalten eine wahre Bereicherung ist. Dazu ist er so positiv und pragmatisch. Auch mein Moped mag sich offensichtlich nicht so leicht trennen, denn erstmals auf dieser Reise macht es Zicken und springt nicht an. Allerdings gebietet die Fairness zu erwähnen, dass ich zuletzt die Zündung noch lange angelassen habe, um die Kamera zu laden. Und dabei habe ich auch noch vergessen die Griffheizung auszuschalten. Da kann die Batterie schon mal zuneige gehen. Zum Glück liegt das Haus hoch oben auf dem Grundstück. Ein kurzer Anlauf den Hang hinab, und das Moped springt im dritten Gang leicht an. Nochmals kehrt, eine herzliche Umarmung und das war’s!

Im leichten Regen fahre ich über die Piste aus dem idyllischen Dschungel heraus, in dem sich Alys und Pete eingerichtet haben. Der Glenn Highway bringt mich entlang einer spektakulär schönen Landschaft Richtung Glennallen. Rechter Hand begleitet mich lange Zeit der Matanuska River, der mir in vielen wild verschlängelten Armen turbulent entgegenmeandert. Nebenbei bemerkt ist dieser Fluss, bzw. der ihn gebärende gleichnamige Gletscher, namensgebend für die Uni, an der Pete lehrt.

Wenig später werden die Berge höher, die Gipfel weißer und die Temperatur geht merklich in den Keller. Wohl dem, der wie ich über eine Griffheizung verfügt! Die Straße ist ziemlich rutschig. Der Asphalt ist immer wieder von geschotterten oder erdigen Teilstrecken unterbrochen. Das fordert eigentlich die Aufmerksamkeit, die sich viel lieber dem rechten Panorama widmen möchte.

Fahrzeuge sind kaum unterwegs, obwohl dies weit und breit die einzige Straße ist. In Alaska sind die Straßen so dünn gesäht, dass man sie gar nicht erst numeriert, sondern ihnen Namen gibt. Es gibt maximal 10 Highways im ganzen Land. Gut 80% davon werde ich am Ende befahren haben!
Nachdem ich den Matanuska River ca. 80 km entlang gefahren bin, sehe ich rechter Hand eine riesige weiße Fläche, die ich zunächst für eine Wolkendecke halte. Doch beim Näherkommen gibt’s keinen Zweifel mehr: Das ist ein Gletscher gigantischen Ausmaßes. In diesen Höhen von deutlich unter 1.000m erwartet man das gar nicht. Es ist der Matanuska Gletscher, der Quell des mich lange begleitenden Flusses. Mein erster Gedanke, als ich die Gletscherzunge direkt in den Wald münden sehe: Ach, endlich mal ein Gletscher, der in den letzten Jahren offensichtlich nicht abgeschmolzen ist! Etwas später jedoch, als ich den Gletscher von der Seite betrachten kann, ist nicht mehr zu übersehen, dass die Breite des Gletschers offensichtlich deutlich abgenommen hat. Vor dem Eis liegt ein sehr breiter wild zerklüfteter Streifen dunklen Gerölls, der allzu offensichtlich bis vor kurzer Zeit vom Eis bedeckt war. Seit Neuseeland habe ich einen solch großen Gletscher nicht mehr gesehen!


Etwas später irritieren mich auf der linken Seite zwei Berghänge, die große und relativ frisch errodierte Flächen zeigen. Abgesehen von dem schönen Farbspiel, den diese Flächen erzeugen, frage ich mich, was hier wohl passiert ist. Nach direkter menschlicher Einwirkung, etwa ein Steinbruch, sieht es nicht aus. Im Visitor Center in Tok wird man mir später erklären, dass dies die Sheep Mountains seien, für die dieses Bild typisch sei. Grund dafür seien Gesteinsschichten mit sehr unterschiedlicher Temperaturausdehnung.

Nur unweit entfernt taucht rechter Hand erneut ein großer Gletscher auf. Dieser liegt deutlich weiter zurück und ist nur schwach von den Wolken zu unterscheiden. Auch hier erfahre ich später in Tok, dass dies immer noch der Matanuska Gletscher, nur viel weiter oben, war. Das lässt meine Bewunderung für diesen Gletscher wachsen! Zwischen dieser großen Gletscherfläche und der Zunge liegen sicherlich deutlich mehr als 10 Kilometer!

Ich folge dem Glenn Highway bis Glennallen, biege dann gen Süden ab auf den RIchardson Highway und weiter auf den Edgerton Highway bis Citina. Citina, das sind ganze 4 Häuser. Hier hört die Welt auf. Ich will aber weiter nach Mc Carthy, das mir von verschiedener Seite zu besuchen ans Herz gelegt wurde. Ein Bergdurchbruch offenbart am Ende der Straße eine kleine schlammige Piste. Das muss der Weg nach Mc Carthy sein. Es folgen einige Kilometer schmierigen Lehms, dann 20 Kilometer groben, losen Schotters und danach noch gut 75 Kilometer glatte Erdpiste. Ich denke noch, Mc Carthy muss aber wirklich etwas bieten, damit sich die beschwerliche Anfahrt auch gelohnt hat, als dann nach insgesamt 100 km plötzlich eine kleine Blockhütte auftaucht, behauptet Mc Carthy zu sein und meint auch noch für jeden Platz in dieser Wildnis, auf dem ich möglicherweise mein Zelt aufbauen will, eine Gebühr von 30$ kassieren zu dürfen. Mc Carthy hatte ich mir als nettes Dorf vorgestellt, aber das hier ist ja wohl ein Witz!
Die Entscheidung, ob ich hier bleiben will, wird mir schnell abgenommen, als die Wolken von den Bergen herabkommen und sich über Mc Carthy zu entleeren beginnen. Ich laufe noch schnell auf die Brücke über einen wilden Fluss, der aus dem Root Gletscher kommt und schieße ein paar eindrückliche Bilder vom Gletscher, der sich leider erst stark unterbelichtet aus dem grauen Einerlei der Wolken absetzt. So bin ich am Ende versöhnt mit der Entscheidung, hergekommen zu sein, denn der Gletscher allein hat die lange, beschwerliche Anfahrt gelohnt! Doch bei diesem Wetter hierzubleiben ist gerade keine Option. Bei Sonne und 10 Grad mehr muss dies in der Tat ein wunderbarer Ort sein.



Als der Regen beginnt unangenehm zu werden, sattle ich wieder auf und mache mich auf flotter Stolle auf den Rückweg, um erneut vor die Wolkenfront zu kommen. Das dauert eine ganze Weile, und bis dahin ist die eben noch gut befahre Erdpiste zu einer Schlammpiste geworden, die bei Mensch und Maschine deutliche Spuren hinterlässt. Wieder in Citina angekommen, stauene ich nach der Querung des Bergausschnitts am Beginn der Asphaltstraße nicht schlecht über die Verschmutzung an Kleidung und Moped!

Immer mit der Wolkenfront im Nacken, beeile ich mich flott wieder nach Glennallen zu kommen. Beim Tanken holt mich der Regen dann doch wieder ein. Ich suche anschleßend nach einem bedachten Platz zum Schlafen, denn mein Zelt mag ich bei diesem Wetter nicht auspacken. Kurz vor Glennallen – ich habe die Wolkenfront gerade wieder überholt – taucht dann zur Rechten ein Rastplatz auf, und dahinter entdecke ich, von Büschen gut versteckt, einen Piknik Platz mit asphaltiertem Boden und darüber ein großes Dach – genau so habe ich mir das vorgestellt. Aus den Bänken und meinem Moped baue ich eine kleine Burg und lege mich dann trappergleich neben mein Pferd zum schlafen hin. Das ist wirklich wunderbar und beschert mir eine ruhige, unbeschwerte Nacht. Am Morgen stelle ich dann fest, dass nicht alles, was nach einem Dach aussieht, auch tatsächlich einen trockenen Unterschlupf bietet. Das Dach ist nämlich über meinem Fußende nicht dicht und hat den Schlafsack gut angefeuchtet! Dennoch bin ich mit der Platzwahl sehr zufrieden und habe das heftige Trommeln der Regentropfen die ganze Nacht über sehr genossen.

Leider ist’s mit dem Trommeln noch nicht vorbei. Bei heftigem Regen packe ich in Ruhe meine Sachen zusammen, packe mich sorgfältig in die Regenklamotten und fahre 240 km im strömenden Regen bei 10 Grad (immerhin plus) nach Tok, wo ich schon vor 6 Tagen Station gemacht habe. Dort hat mir das Visitor Center so gut gefallen, weil es gemütlich warm ist, bequeme Sessel und gutes Internet bietet. Dort sitze ich jetzt und beende diesen Blog, nachdem ich wieder trocken und aufgewärmt bin.
Übernachten werde ich wieder auf dem Campground mit den schönen warmen Duschen. Dann geht es morgen über Chicken zum nördlicheren der Beiden Grenzübergänge zwischen Alaska und Kanada „Little Gold Creek“. Von dort weiter mit der Fähre über den Yukon River nach Dawson City, der alten Goldgräberstadt, wo ich möglicherweise Carsten, einen Bekannten meines Freundes Ralf (alias Ali) treffen werde, der auch gerade hier rumtourt.