09 It’s a long Way to Alaska

Von Fort Nelson fahre ich nach ausgiebiger Mittagspause weiter auf dem Alaska Highway ins Bergland hinein. Mittlerweile zählt der Highway schon Kilometer 500 und hat hier nicht mehr viel mit einem Highway zu tun. Die Straße windet sich durch die Berge, überwindet dabei zahlreiche Flüsse mittels Stahlbrücken, deren Fahrbahn aus einem Gitterrost besteht, das mit dem Motorrad unschön zu befahren ist. Dazu sind weite Strecken des Highways hier geschottert, was schön ist, solange keine anderen Fahrzeuge, insbesondere keine Trucks, unterwegs sind. Denn dann heißt es „Staub schlucken“ und das nicht zu knapp! Auf der Suche nach einem Schlafplatz bricht die Dämmerung ein, als ich mich zum Summit-Pass hinaufwinde. Als ich ein junges Elch-Kitz am Straßenrand entdecke, wird mir klar, dass ich um diese Zeit besser nicht mehr auf der Straße sein sollte.

Ein Elch-Kitz traut sich aus der Dämmerung auf die Straße am Summit-Pass

Dementsprechend erleichtert entdecke ich auf der Passhöhe einen Campground – wunderschön am idyllischen Summit Lake gelegen! Hier kommt dann, ungeachtet der späten Stunde, der Campwart noch während ich das Zelt aufbaue und kassiert die Gebühr, die ich für diesen tollen Ort gerne zahle!Es herrscht hier oben eine unbeschreibliche Stimmung mit zum Teil düsteren Woken am spiegelnden See, eingeschlossen von hohen Bergen.

Campground am Summit Lake – erste Wahl!
Der Summit Lake in der Abendstimmung
Abfluss des Summit Lake gen Süden
Einem Spiegel gleich – der Summit Lake am Abend gen Norden

Ich treffe hier auf Fred Fern, einen in Soest geborenen Kanadier von Vancouver Island. Sein Vater war Ende der 50-iger Jahre in Deutschland beschäftigt, aber nicht beim Militär. Ich erhalte wertvolle Infos über die weitere Strecke, denn Fred ist gerade auf dem Rückweg aus den North Territories. Er ist ein kurioser Typ, ausgestattet mit allen Militaria gegen Bären. Das reicht vom Bärenspray über ein echt furchteinflößendes Messer bis zur „Shotgun“, das er alles stets bei sich trägt! Dennoch macht es Spaß, sich mit Fred zu unterhalten. Am Morgen bekomme ich zum Abschied wieder einmal einen Kaffee!

Fred – ein martialischer Trapper?

Sonnig und kühl geht es auf 1200m Höhe weiter zum Muncho Lake. Die Gebirgslandschaft wird immer großartiger. Riesige, derzeit trockene, Flussbetten zeugen von den gigantischen Wassermassen, die hier von Mai bis Anfang Juli aus den Bergen fließen. Ich fühle mich in dieser Mega Landschaft wie ein Sandkorn in der Sahara!

Riesige Flussbetten transportieren das Schmelzwasser zu Tale

Am Muncho Lake angekommen, ziehen mich zwei Wasserflugzeuge zum Seeufer. Eines – das schönere von beiden – wird gerade mit allerlei professioneller Kameraausrüstung beladen. Es ist ein Fernsehteam des ZDF, das hier gerade eine Doku über Buschpiloten dreht. Ich warte den Start noch ab, bevor ich mich weiter in Richtung Watson Lake bewege.

Ein ZDF Kamerateam lädt die kostbare Fracht ins Wasserflugzeug ….
…. gibt ordentlich Gas auf dem Wasser ….
…. und „up and away“!

Es ist schon erstaunlich, wen man hier unter den wenigen Reisenden so alles antrifft. Deutsche machen dabei, zusammen mit den Schweizern, schon einen erheblichen Anteil aus, jedenfalls wenn man nach den Fahrzeugkennzeichen urteilt. Nordwestlich des Muncho Lake flachen die Bergrücken wieder ab. Hier beginnt das Land der Bisons, von denen mir einige über den Weg laufen. Es sind gewaltige Viecher mit einer bemerkenswerten Schwerfälligkeit. Nur einmal taucht auch ein Jungtier auf.

Häufiger Anblick: Bisons beim Queren der Straße
Nur selten zu sehen: Jungtiere

Bis Watson Lake passiert dann nicht mehr viel. Es tauchen links und rechts sogar landwirtschaftlich genutzte Flächen auf, aber in viel kleinerem Stile als in Saskechewan und Manitoba. Watson Lake ist schließlich der erste „größere Ort“ seit langem mit wenigen hundert Einwohnern. Hier möchte man nicht „tot über dem Zaun“ hängen, fällt mir als Spruch zu Watson Lake ein. Der einzige Dorfladen bietet so ziemlich alles an, dafür ohne jegliche Auswahl und ohne jeglichen Sinn für die Darbietung von Waren. Alles liegt irgendwie neben- und übereinander. Die Kassiererin verkauft mir mürrisch eine Flasche Wasser für 5$! Trotzdem will Watson Lake repräsentieren, was sich zumindest in der liebevoll gestalteten Touristeninfo zeigt, in der ich mir einen Film zum Bau des Alaska Higways anschaue. Dieser wurde 1942 in nur 10 Monaten auf Geheiß von Präsident Roosevelt gebaut als strategische Maßnahme gegen die Japaner nach deren Angriff auf Pearl Habour. Man befürchtete eine Besetzung Alaskas durch Japan und wollte dem durch eine Straße dorthin entgegenwirken. Vor der Touristeninfo steht ein beeindruckender Schilderwald mit Orts- und KFZ-Schildern aus aller Welt, darunter auffällig viele aus Deutschland!

Schilderwald in Watson Lake – Berlin ist auch dabei, stammt aber nicht von mir!

Mich hält in Watson Lake nicht viel, also nehme ich noch ein paar Kilometer unter die Räder. Nach 65 km taucht rechter Hand ein ganz passabler Campground auf, den ich für die Nacht wähle. Außer einem kurzen Gespräch mit einem Texaner, der seinen Wohnwagen 10.000 Meilen durch die Gegend zieht und dabei 7.000 US$ für Sprit ausgibt, gibt es von hier nichts weiter zu berichten, als dass die Mücken den Ort auch toll finden.

Campground 65km hinter Watson Lake

Am Mittwoch, den 17. August, mache ich mich schon früh auf den Weg und bereue schon bald, keinen Pullover angezogen zu haben. Das Thermometer zeigt gerade mal 10 Grad! Am Mittag sind wieder gut 20 Grad erreicht. Die Landschaft bäumt sich wieder auf. Jetzt zeigen sich sogar die ersten Schnnekappen auf den Gipfeln. Anders als in den Alpen sind die Täler zwischen den Bergketten sehr viel breiter. Man hat so auch in den Tallagen eine beachtliche Weitsicht. In der Touristeninfo von Watson Lake habe ich eine Liste der Sehenswürdigkeiten und Infrastruktur entlang des Highways erhalten. Die einzige Sehenswürdigkeit bis Whitehorse ist der Rancheria Wasserfall, den ich links der Straße über einen 15-minütigen Wanderweg erreiche. Ganz schön, doch als Wasserfall würde ich ihn nicht bezeichnen, eher als eine Stromschnelle!

Erste Berge mit Schneeresten
„Wasserfall“ von Rancheria am Rande des Highways

Bis Whitehorse kommt nur noch Teslin als einziger Anlaufpunkt, ein Ort, der aus wenigen Häusern und einer Tankstelle mit Restaurant und Unterkunft besteht.

Brücke über den Yukon River bei Teslin
Stahlbrücke mit Gitterrosten als Fahrbahnbelag – eine Schlingerpartie mit dem Moped!

Hier tanke ich und nutze seit zwei Tagen erstmals wieder das Internet. Mit meiner kanadischen SIM habe ich hier im Yukon niergends mehr Empfang – war wohl doch der falsche Provider, den ich gewählt habe! Ich telefoniere mit zuhause und schaue mir auf dem Handy die Wetterkarte an. Oh, das sieht nicht gut aus! Gar nicht gut! Vorsorglich packe ich mich ein und traue mich in die tief blau gezeichnete Wetterfront, die zwischen Teslin und Whitehorse verläuft. Kurze Zeit später überhole ich einen auffällig schwer beladenen Radfahrer mit kanadischer Flagge. Es ist David aus Alberta. Er ist bereits seit neun Monaten unterwegs. In Argentinien gestartet, trägt er ein Fläschchen Atlantikwasser im Gepäck, dass er zusammen mit einigen Leuten der First Nation in den Northern Territories in die Arktische See schütten und so die Welt vereinen will. Ein schöner Gedanke in diesen unfriedlichen Zeiten – möge es helfen!

David! Reisender auf großer Mission von Argentinien in die Northern Territories am Arktischen Meer.

Nach einem sehr angeregten Gespräch verabschieden sich zwei sehr
unterschiedliche Zweiradfahrer voneinander und wünschen sich viel Glück für die
weitere Reise. Während ich dem gerade erlebten nachsinne, öffnet Petrus alle
Schleusen des Himmels und verwandelt den Alaska Highway in eine
1a-Wasserstraße. Mal wieder bewähren sich die Regenklamotten, doch schön ist
anders! Nach einer knappen Stunde ist der Spuk vorbei. Gerade rechtzeitig, um
die nassen Klamotten auf der verbleibenden Strecke bis Whitehorse trocken zu
fahren. Whitehorse, die Hauptstadt des Yukon, ist kein toller Anblick. Planlos
angeordnete Häuser beherbergen hier ca. 25.000 Einwohner, aber offensichtlich
auch nicht alle, denn es gibt hier viele Obdachlose. Tanken, etwas zu essen und
zu trinken kaufen, dann blos weg hier. Aber nein, zuvor lockt mich noch ein
Barber Shop. 6mm Aufsatz für den Haarschneider gibt es nicht; na gut, dann eben
3mm – sieht echt knastmäßig aus, aber egal – Hauptsache ab!

Auf den nächsten Campground warte ich dann ganze 156 km. Immer wieder mache
ich mir Sorgen um das Wetter. Tief schwarze Wolken geben sich ein Wechselspiel
mit blauem Himmel. Nach 125 km sehe ich linker Hand einen kleinen Rastplatz für
Campingmobile. Es ist ein ungastlicher, etwas verwahrloster Ort. Als einziger
Gast hat sich dort ein Wanderer mit Handkarren in einem schönen, roten Zelt von
Mountain Hardwear niedergelassen. Die Flaggenaufkleber auf dem Handkarren
scheinen auf eine schon lang andauernde Reise hinzuweisen – bestimmt mehr als
50 Flaggen verdrängen die Alufläche der Kiste auf dem Handkarren. Leider kommen
wir nicht ins Gespräch, denn er telefoniert im Zelt angeregt mit einer
Frauenstimme auf Spanisch. Herauskommen mag er nicht, als ich kurze Zeit neben
dem Zelt zum Stehen komme. Ich bin hin- und hergerissen. Soll ich nun hier an
diesem häßlichen aber sonnigen Ort bleiben und das Geheimnis um diesen
wundersamen Reisenden lüften, oder in die tief schwarzen Wolken hineinfahren,
in der Hoffnung dort einen besseren Schlafplatz zu finden? Ich entscheide mich
für letzteres und werde einmal mehr für den Mut belohnt. Denn einerseits bleibt
es trocken, andererseits finde ich einen Traumplatz am See kurz vor Haines
Junction!

 

 

Schlafplatz neben diesem idyllischen See
Eine Frage der Perspektive – gen Norden dunkel …
… gen Süden freundlich!

Ich baue mein Zelt auf und unternehme noch einen Abendspaziergang entlang
des Seeufers, treffe dabei zwei Familien aus Stuttgart, die von Frankfurt
direkt nach Whitehorse geflogen sind und nun 3 Wochen mit dem gemieteten Camper
durch Alaska fahren – was so alles geht! Glücklich und vollgepumpt mit schönen
Bildern lege ich mich zum Schlafen ins Zelt. Wider Erwarten bleibt es die ganze
Nacht über trocken.

Der Morgen ist dann komplett bewölkt und kalt. Die Landschaft wird dafür
wieder aufregender, die Berge höher und der Schnee mehr. Leider sind die
Kontraste bei dem trüben Licht nicht so schön, wie die Tage zuvor, aber
immerhin bleibt es den ganzen Tag über trocken. Der Wind frischt so auf, dass
es schwierig ist, mit dem Moped stehen zu bleiben. Während der Fahrt kommt er
meistens von hinten, was sehr angenehm ist. Es sind nun noch gut 300km bis zur
Grenze nach Alaska.

 

Immer höhere Berge und immer mehr Schnee
Alaska’s Berge voraus

Die größte Abwechslung auf diesen 300 Kilometern bietet der Kluane Lake, um dessen Südufer die Straße lang herum führt. Dort bietet ein Unternehmen Rundflüge mit Landung auf dem Logan Gletscher an. Bestimmt interessant, doch das grüne Gewissen verbietet mir einen solchen Ausflug.

Kluane Lake mit Staubwolken – vom stürmischen Wind aufgeweht

Etwas ermüdet erreiche ich nach 4 Stunden auf dem mittlerweile arg ramponierten Alaska Highway bei Kilometer 1905 die Grenzstation nach Alaska. Zum Glück bin ich in dieser Richtung der einzige Reisende, denn die Einreiseformalitäten dauern recht lang. In der Gegenrichtung gab es einen langen Stau, denn die Reisesaison in Alaska neigt sich dem Ende zu. Lustige Fragen habe ich zu beantworten. So etwa, ob ich die Absicht habe einer terroristischen Vereinigung beizutreten, aber auch ernsthaftere, wie die Frage, ob ich seit 2011 im Iran war …nöööö, nicht wirklich! Am Ende erhalte ich zwei schöne Stempel im Pass, den zweiten auf eigenen Wunsch – ein Alaska Stempel! Ich zahle 6 US$ und werde in die Wildnis von Alaska entlassen.

Grenzstation gen Alaska – die Grenzstation gen Kanada liegt 30 km südlich

Jetzt kommt erstmal 70 km lang gar nichts, dann eine einsame,
heruntergekommene Tankstelle, die nur 87-Oktan-Sprit anbietet. Ich habe keine
Wahl, denn nach Tok komme ich nicht mehr. Also rein mit dem Zeug. Ich tanke nur
für 10 US$. Dem Moped macht es offensichtlich nichts aus, jedenfalls läuft es
so gut wie zuvor. Ein gute Stunde später erreiche ich Tok, einen wichtigen
Knotenpunkt verschiedener Highways in Alaska. Ich such zuerst die Touristeninfo
auf, die wirklich sehr hilfreich für die noch etwas planlose Gestaltung meiner
Alaskarundfahrt wird.

Eigentlich will ich zuerst nach Anchorage, um mich dort mit einer SIM-Karte
auszustatten, doch das Wetter ist dort bis Sonntag apokalyptisch, dann ab
Montag nur noch schlecht! Also werde ich zuerst nach Fairbanks und in den
Denali Nationalpark am höchsten Berg der USA (<6.000m) fahren und nach
Anchorage danach.

Heute schlafe ich auf einem Campground mit warmer Dusche – die erste nach 6
Tagen! Das ist wirklich ein Fest. Zur Touristeninfo werde ich morgen früh
zurückkehren und dort das Wifi nutzen, um den nächsten Blog zu schreiben. Ich
baue mein Zelt neben dem von zwei Frauen aus Alaska auf. Meinen Gruß erwidern
sie nicht, und so denke ich, dass sie keine Lust auf Unterhaltung mit einem
reisenden Mann haben. Aber am heutigen Morgen sieht das plötzlich ganz anders
aus. Die beiden Frauen sind auf einmal sehr gesprächig, erkundigen sich nach
meiner Reise und offerieren mir einen selbstgemachten Bagel und sogar ein Glas
selbst gemachten Honig! Dann kommt – ich kann’s gar nicht glauben – auch noch,
wie selbstverständlich, die Einladung von Alys, bei ihrem Mann zuhause zu
übernachten, wenn ich nach Anchorage komme. Er würde sich sehr über meinen Besuch
freuen, während sie in Kanada reisen werde. Wow! Ich erhalte die Telefonnummer
und gleich noch den Mann per Telefon gereicht, mit dem ich die Verabredung
treffe. Wieder einmal sprachlos!

Jetzt sitze ich noch in der Touristeninfo in Tok und beende diesen
Blogbeitrag, bevor ich heute noch nach Fairbanks weiterreise. Ich bin jetzt 10
Stunden hinter der deutschen Zeit, habe also bereits fünf Zeitzonen seit Cap
Breton durchfahren. Viel weiter westlich komme ich nicht mehr, habe aber auch
bald 140 Grad West erreicht!

Ein Gedanke zu “09 It’s a long Way to Alaska

  1. uli rudolph schreibt:

    Hallo Wolfram, wir lesen Deine Erlebnisse mit Spannung und Freude. Danke für die Einblicke nach Alaska, der spannende Teil beginnt ja nun. Die Filmemacher vom ZDF haben offensichtlich auch Freude an interessanten Reisen. In Bolvien hatte ich auch ein ziemlich großes Team mit umfangreicher Ausstattung von Terra X getroffen.
    Weiterhin spannende Erlebnisse und eine sichere Weiterfahrt.
    Beste Grüße
    Lif und Uli

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