02 Auftakt nach Maß

Besser konnte die Reise kaum beginnen. Die Nacht in dem charmebefreiten Super 8 Hotel hat ihren Sinn erfüllt. So starte ich am späten Morgen gut ausgeschlafen und mit sortiertem Gepäck in Richtung Quebéc. Der Weg auf dem Highway entlang des St. Lorenz ist ereignislos, lässt praktisch keinen Blick auf den Fluss erhaschen. Quebéc selbst entpuppt sich als schmucke Stadt mit viel viktorianischer Architektur.

Quebéc’s Restaurantmeile

Wasserspiele im Zentrum von Quebéc

Hier finde ich etwas zu Essen und teste die neue SIM-Karte mit den Liebsten zuhause. Nach einem Spaziergang durch das belebte Zentrum nehme ich die nächste Etappe unter die Räder. Es soll heute noch nach Tadoussac gehen – eine Empfehlung von Veronika und Till, die dort vor einigen Jahren eine tolle Waltour erlebt haben. Hinter Quebéc wird die Landschaft interessanter. Auch führt die leere Straße nun durch jedes Dorf hindurch. Ich kann mich kaum satt sehen an all den kleinen Häuschen und Höfen, die mich sehr an Skandinavien erinnern. Das gilt auch für das Klima. Bei schönstem Sonnenschein im Hochsommer herrschen hier gerade mal 23 Grad, und das obwohl ich mich auf dem 48. Breitengrad (Höhe von München) befinde! Kurz vor dem Etappenziel endet die Straße abrupt an einer Fährstation. Hier mündet der Saguenay in den St. Lorenz und will überquert werden. Die Dimensionen der Flüsse sind in keiner Weise mit denen in Europa zu vergleichen. Der Saguenay – eigentliuch nur ein kleiner Zufluss in den großen Strom – misst ca. 2 KM Breite. Die große Autofähre fasst sicherlich 200 Fahrzeuge und fährt dreimal pro Stunde in 10 Minuten ans andere Ufer.

Mündung des River Saguenay in den St. Lorenz Strom

Direkt dahinter liegt Tadoussac, ein rein touristischer Ort, der ganz und gar von den Walbesichtigungen lebt. Die Mischung aus dem süßen Wasser des Saguenay mit dem Salzwasser des St. Lorenz sorgt hier für eine Sorte Fisch, die den Walen als Futter dienen. Das Örtchen liegt hübsch, etwas erhöht um den Hafen und die Kirche angeordnet.

Kirche von Tadoussac mit Hafen im Hintergrund

Es ist schon kurz vor Sonnenuntergang, und so verschiebe ich die Ortsbesichtigung auf den nächsten Tag und steuere den Campingplatz an, der mir noch genau den einen verbliebenen Platz für stolze 42$ (32€) anbietet. Ich buche für zwei Tage und schaffe es gerade noch das Zelt aufzubauen, bevor Petrus mir den Beweis für die Dichtigkeit des neuen Zelts liefert. Schön gemütlich und einschläfernd ist die abendliche Stimmung im Zelt.

Campingplatz in Tadoussac

Der Jetlag lässt mich früh erwachen. Am Vorabend habe ich schon eine Wale Watching Tour im Zodiac gebucht, die hier „Crosiere de Baleigne“ genannt wird. Es standen drei Optionen zur Wahl: Eine selbst gepaddelte Tour im Kajak, eine Tour auf einem großen Schiff, oder eine Tour im Zodiac. Das Kajak klang zunächst am verlockensten, doch ich entscheide mich für das Zodiac, da nur dieses schnell ist und weit auf den Strom hinausfährt. Die Kajaks beleiben im Fjord des Saguenay Rivers, wo es nur selten Wale zu beobachten gibt.

Das Zodiac – dank seines Tempos mit großer Reichweite

Es war eine gute Entscheidung, denn im Fjord sehen wir nur kleine Wale und aus der Ferne einige Belugas, die hier unter besonderem Schutz stehen. Daher nähern wir uns diesen nicht und bleiben auch nicht in ihrem Bereich stehen.

Wer kündigt sich da an….?
… ein Blauwal von 10m Länge!

Erst nach einer halbstündigen Fahrt mit 60km/h finden wir einen kapitalen Wal von 12m Länge und 30 Tonnen Gewicht. Dieser bespaßt uns über 40 Minuten, in denen er stets im Wechsel einige Minuten taucht und dann einige Male an die Oberfläche kommt.

Der große „Fang“ buckelt für die Kamera ….
….und lässt auch noch die Schwanzflosse blicken!
Am Ende taucht er übermütig unter einem Schlauchboot hindurch!

Nach knapp drei Stunden mit wirklich eindrücklichen Walbeobachtungen und schönen Bildern im Kasten schieße ich im Zodiac zurück in den Hafen von Tadoussac. Es wird verdammt kalt, doch die Bilder im Kopf schaffen warme Gefühle. Den Rest des Tages verbringe ich mit Tagebuchschreiben und etwas Kettenpflege. Abends besuche ich das Örtchen, teste eine Pizzeria und lege mich wieder früh ins Zelt. Morgen früh will ich um halb zehn mit der Fähre auf das andere Ufer des St. Lorenz setzen. Dafür muss ich vorher wieder über den Saguenay setzen und 40km zurück nach Simeón fahren.

Auf dem Weg von Tadoussac nach Simeón: Viele Seen mit netten Hütten am Ufer

Das klappt auch alles ganz gut und zügig, sodass ich bereits vor 9 Uhr am Fährbahnhof von Simeón ankomme, wo man mir am Ende einer großen Autoschlange bedauernd erklärt, dass die 09:30 Fähre bereits voll sei und ich bis 13:30 auf die nächste Fähre warten müsse. „Kann doch gar nocht sein!“, denkt der geborenen Optimist. Mit dem Moped geht doch immer etwas! So hole ich mir die Erlaubnis, an der Schlange vorbei zu den am Anleger wartenden Moped-Kollegen zu fahren, um mit dem dort rumwuselnden Einweiser davon zu überzeugen, dass mein kleines Moped (im Vergleich zu den Harleys und Goldwings der Einheimischen wirklich klein!) immer noch einen Platz auf einer vollen Fähre finden würde. „Kann sein,“ sagt dieser „aber es warten hier bereits weitere 8 Mopeds und 10 Trykes ohne Fahrschein, und da sehe ich keine Chance für Dich!“ Er sollte leider Recht behalten. Aber was sind schon 4 Stunden auf einer Reise von 8 Monaten? Ich fülle sie mit Tagebuchschreiben und Smalltalk mit anderen Bikern. Eine Fähre über den Fluss ist ja meistens kein großes Ding. Wenn der Fluss aber 30km Breite misst, ist’s doch eine kleine Reise. Der St. Lorenz wirkt schon hier wie ein Meer. Dabei wird er erst einige 100km weiter östlich wirklich breit; weit über 100km! Um so erstaunlicher, dass eine Fähre, die nur dreimal am Tag verkehrt nur Platz für 95 Autos hat!

Von einer Anhöhe vor Simeón erahnt man die Breite des St. Lorenz
Die kleine KTM inmitten wirklich großer Motorräder

Nachmittags um drei erreiche ich endlich das Südufer in Rievière du Loup. Jetzt noch schnell ein paar Meilen machen, denn weit gekommen bin ich heute noch nicht. Das Südufer des Lorenz ist deutlich belebter und touristischer als das nördliche. In Mont Joli verlasse ich erstmal den St. Lorenz und schlage mich ins Landesinnere; immer knapp am Regen vorbei folge ich dem Matapedia River, einem idyllischen Fluss, der offensichtlich ein großes Lachsreservoir ist, wenn man den Schildern und den zahlreichen Fischern vertrauen mag. Kurz vor Sonnenuntergang erblicke ich rechts eine Brücke über den Matapedia und direkt daneben ein nettes grünes Fleckchen direkt am Wasser. Leider etwas sehr einsichtig, doch kaum ein Mensch unterwegs. Ich überquere also Bahngleise und Brücke und finde sogleich den gerölligen Pfad zum Schlafplatz. Erstaunlich wenige Mücken sind unterwegs. Das Zelt ist schnell aufgebaut, ein kleiner Abendsnack eingenommen, der Zeh ins Wasser gehalten – gar nicht mal kalt! – und dann wiegt mich die Geborgenheit im Zelt auch schon in den Schlaf.

Schlafplatz am Matapedia

Um 5 Uhr in der Früh weckt mich das Regengetröppel auf der Zelthaut, doch viel Regen gibt’s (noch) nicht. Etwas später rappelt ein fettes SUV mit großem Kanu auf dem Hänger direkt an meinem Moped vorbei. Es sind Fischer, die ihr Kanu ins Wasser lassen. Man begrüßt sich und erkundigt sich, ob ich hier eine gute Nacht verbracht habe. Dann geht jeder seiner Wege.

Fischer auf der Suche nach Lachs im Matapedia

Ich baue das Zelt schön im Trockenen ab, packe mein Moped und nehme noch ein Bad im Fluss – sehr sauber und ausreichend warm! Als ich gerade abfahrbereit bin, fängt es doch noch an zu regnen. Also rein in die Pelle und im Nieselregen über Matapedia (hier endet Quebéc und beginnt New Brunswick) nach Bathurst. Dort wird’s freundlicher und in Miramichi, wo ich gerade im Restaurant sitze und diesen Beitrag schreibe, wird es wieder sonnig und warm (24 Grad). Auf dem Weg hierhin bewundere ich die vielen beeindruckenden Brückenkonstruktionen über die sehr breiten Flüsse. Sie alle sind um die 100 Jahre alte Stahlkonstruktionen, die zum Teil sehr abenteuerlich aussehen und dem Rost ausgesetzt sind.

Brücke über den Fjord bei Bathurst
Brücke über den Fjord bei Miramichi

Gleich geht’s weiter Richtung Truro, wo Nova Scottia beginnt. Das Ziel meiner Auftaktrunde mit dem Cap Breton, bevor die Reise gen Norwesten führt.

5 Gedanken zu “02 Auftakt nach Maß

  1. Gabriele Degano schreibt:

    Ach Wolfram, du bist so im Glück und mit dem Blick für alles Schöne! Danke für deine wunderbaren Schilderungen, die uns hier fast dabeisein lassen.
    Gabi

    Like

  2. Insa Metzger schreibt:

    Hi Wolfram, da werden Erinnerungen wach an unsere Zodiac Tour in Tadoussac.2014, als Deutschland gerade gegen Brasilien 7:1 gewann, während wir Wale beobachteten. Ein unvergessliches Erlebnis.
    Geniesse die Tour, die Eindrücke und schicke immer wieder Bilder. Wir freuen uns, auf diese Weise dabeizusein.
    Liebe Grüße Volker und Insa

    Like

  3. Uli schreibt:

    Hallo Wolfram,
    toll, dass Deine Reise so gut beginnt 🙂 – Der Titel Deines Blogs stimmt ja doch – das sind ja wirklich 1000 km von Montreal nach Osten.
    Beste Grüße
    Uli

    Like

  4. G. Schmalhorst schreibt:

    HALLO Wolfram habe Deinen Bericht gelesen super Pass auf Dich auf Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute Liebe Grüsse Deine Tante Rosemarie Aus Dalhausen mit Partner Gerhard

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s