Nun bin ich schon gut zehn Tage im Iran und bin total begeistert. Ariane geht’s nicht anders. Die Iraner kann man nur lieben, und das begann schon beim ersten Polizeiposten nach der Grenze. Als ich dort am 23.9. nachmittags vorfuhr, waren die beiden Dienst schiebenden Polizisten gerade beim Essen. Ganz selbstverständlich wurde mir vom Essen angeboten! Die Kontrolle der Papiere wird zur Nebensache.
Die Gegend nach der turkmenischen Grenze ist fast unbesiedelt. Durch schroffes Gebirge fahre ich allein auf perfekter Straße 80 Kilometer nach Quchan, der ersten Stadt. Schon am ersten Kreisverkehr werde ich im Fahren aus einem Auto angesprochen, ob ich Geld tauschen wolle, oder sonst irgendwie Hilfe benötige. Ich frage, wo ich eine lokale SIM-Karte kaufen kann, und der freundliche Autofahrer ändert sofort seinen Kurs, um mich zum nächsten Telefonshop zu eskortieren. Selbstverständlich organisiert er für mich gleich den Einkauf einschließlich der Funktionsprüfung! Dann finde ich im einzigen Hostel der Stadt ein Zimmer für knapp 3.-€ – natürlich kein Luxus, aber durchaus OK und sauber.
Ich fühle mich auf Anhieb wohl in diesem Ort mit seinem wuseligen Treiben auf den Straßen, in denen sich ein Geschäft ans andere reiht. Offensichtlich hat die Schule nach langen Sommerferien wieder begonnen, denn vor den zahlreichen Schreibwarenläden bilden sich große Schlangen.
Von allen Seiten werde ich angesprochen und willkommen geheißen. Zu meiner großen Überraschung ist eine weiterreichende Kommunikation leider nicht möglich, da hier niemand englisch spricht. Darauf war ich nicht gefasst, aber der Nordosten des Irans scheint noch sehr abgeschieden vom Rest des Landes zu sein. Auch sind die Frauen hier alle in schwarzen Tschadoren gekleidet, was um so weniger anzutreffen ist je mehr ich in den Südwesten kommen werde.
Nach einer unruhigen Nacht – die Leute beleben hier die Straßen bis in die Früh – mache ich mich schon früh um halb sieben auf den Weg, denn es liegen bis Shiraz rund 1.500 Kilometer für die kommenden drei Tage vor mir. Zunächst versuche ich erfolglos eine Tankstelle mit Super-Benzin zu finden. Dieses soll es – wenn überhaupt – nur in größeren Orten geben. In Quchan offensichtlich nicht! So setze ich auf Sabzevar, dem nächsten größeren Ort. Als ich auch dort nur den einfachen Sprit (ohne Angabe einer Oktanzahl) bekomme, gebe ich die Hoffnung auf und lasse den Tank mit dem ungewissen Treibstoff voll laufen. Zum Glück habe ich ein Fläschchen Oktan-Booster dabei, das mir Michael und Stefan – zwei Zürcher – in Samarqand überlassen haben. Das Moped fährt damit erstaunlich gut, wobei niedertouriges Fahren schon mit Klingeln im Motor quitiert wird.
Hinter Sabzevar – die Leute hier sind ebenso freundlich und der englischen Sprache ohnmächtig wie die in Quchan – beginnt die Wüste ‚Dasht-e Kavir‘, was auch das Thermometer mit an die 40 Grad bestätigt. Das Fahren ist bei dieser Hitze unangenehmer als das Stehenbleiben. Daher gibt es von diesem Streckenabschnitt auch leider kein Photo mit Ausnahme dieses einen von einem noch teilweise bewohnten Wüstenörtchen vor Tabas.
Etwas geschafft von der Hitze steuere ich am späten Nachmittag Tabas – die Hauptstadt dieser Wüstenprovinz – an. Diese Stadt hat nicht viel zu bieten, seit sie im Jahr 1978 durch ein Erdbeben total zerstört und nun wieder aufgebaut wurde. Doch alles was ich jetzt brauche, bietet sie gleichwohl: Kühles Wasser und ein Bett zum Schlafen. Am Abend dann noch ein leckeres iranisches Abendessen. Hier ist sogar das Internet ganz brauchbar, was mich den Blogbeitrag zu Turkmenistan veröffentlichen lässt.
Auch von hier breche ich am Dienstag gleich nach Sonnenaufgang auf. Es bleiben noch 900 Kilometer bis morgen Abend nach Shiraz zu fahren! In den Morgenstunden ist es noch angenehm kühl – anfangs sogar unter 20 Grad! Auf dem Weg nach Yazd laden mich an einer Straßenbaustelle ein paar Arbeiter auf einen Tee ein.
Die Kommunikation ist sehr herzlich und klappt vollkommen wortlos. Man präsentiert mit Stolz den 50 Jahre alten Mercedes Hauben LKW. Von diesen Lastwagen, die mir aus der Kindheit noch so präsent sind, fahren hier unzählig viele Exemplare – zum Teil noch in bestem Zustand – rum. Ich mag diese Dinger mit dem freundlich lächelnden Gesicht!
Nachdem alle mit ihren Handys ausreichend Selfies mit mir geschossen haben, fahre ich bei vergleichsweise angenehmen 34 Grad weiter an Yazd vorbei – hier werde ich bald mit Ariane hinkommen – und verlasse die Wüste. Hinter Taft fesselt ein Berg meinen Blick, der in ungewöhnlich deutlicher Weise an die Form eines Raubvogels erinnert. Wie ich später Nachlese, heißt er deswegen auch ‚Kuh-e Oqabe‘, was soviel wie Adlerberg bedeutet.
Zwei Stunden später erreiche ich mt Arbakouh mein vorletztes Etappenziel bevor ich Ariane treffe. Dies ist eine weitestgehend unbekannte kleine Stadt, die aber sehr viel sehenswertes beherbergt. Für heute belasse ich es bei der 4000 Jahre alten Zypresse, die zu den 10 ältesten Bäumen dieser Art weltweit gehört. Ich werde hierher mit Ariane wiederkommen und dann mehr anschauen.
Ich finde ein ordentliches Zimmer in einer alten Karawanserei nur 2 Gehminuten vom alten Baum entfernt – ein wunderschöner Übernachtungsplatz mit einem Wirt, der des Englischen sehr gut mächtig ist! Der Innenhof beherbergt einen idyllischen Garten mit den typischen Liegebänken, auf denen Tee serviert wird.
Direkt in der Nachbarschaft wird mir ein tolles Abendessen vermittelt. Vater und Sohn betreiben dort in einem uralten Lehm-Haus ein kleines Restaurant. Anstelle einer Speisekarte wird mir eine Auswahl an Probeschälchen mit allen verfügbaren Speisen gereicht. Ich entscheide mich für Reis mit einer Granatapfel-Fleisch-Wallnuss Soße, die ich später als ‚Fersenjan Stew‘ kennenlernen soll – einfach köstlich!
Nach einer sehr erholsamen Nacht auf knochenharter Matratze breche ich am Mittwoch wieder in aller Frühe auf, noch ehe irgendjemand wach ist, von dem ich mich verabschieden könnte. Es ist die letzte Etappe nach Shiraz, und meine Vorfreude auf Ariane’s Ankunft kennt keine Grenzen. Davon beflügelt verlaufen die letzten 290 Kilometer spielerisch leicht, in abwechslungsreicher Gebirgslandschaft bei angenehmen 28 Grad. Schon kurz nach Mittag erreiche ich Shiraz, wo ich direkt das von Ariane vorbestellte Hotel Karim Khan aufsuche. Dort geleitet mich der livrierte Portier gleich in die Tiefgarage und nimmt mir das Gepäck ab. Diese Kategorie Herberge ist mir auf der ganzen Reise noch nicht untergekommen, aber ich kann das jetzt nach fünf Monaten ‚on the road‘ durchaus genießen!
Das Zimmer – ganz im persischen Stil – ist geräumig und luxuriös, der Verfall des Rial ermöglicht dies dennoch zum Spottpreis. Nach einer schönen Dusche nutze ich den Rest des Tages zum Wäsche waschen, Tagebuch schreiben und für ein paar Einkäufe, mit denen ich meiner Liebsten einen angemessenen Empfang bereiten möchte. Ich finde tolles Obst für eine Obstplatte, Getränke und sogar ein Prachtexemplar einer Rose.
Jetzt muss ich nur noch auf Mitternacht warten, dann hole ich das Moped aus der Tiefgarage und fahre zum Flughafen von Shiraz. Auf den Straßen ist um diese Uhrzeit nicht mehr viel los. Man lässt mich – anders als die Autos – bis zum Terminal durchfahren, wo Ariane fast pünktlich um halb zwei des Nächtens ankommt. Ich erkenne sie zunächst gar nicht unter dem Kopftuch. Etwas verhalten fällt zunächst die Begrüßung aus, denn wir wissen nicht so recht einzuschätzen, wieviel Körperkontakt hier opportun ist. Doch um uns herum scheinen sich die Iraner selbst kaum um irgendwelche Etiketten zu scheren, also dürfen auch wir uns umarmen und küssen! Da haben wir uns nach zweieinhalb Monaten endlich wieder – wie schön!!!
Mit der besten und durch die Mongolei Leid erprobten Sozia fahre ich zum Hotel zurück. Vor uns liegen jetzt 18 gemeinsame Tage, in denen wir über Yazd, Isfahan, Kachan, Qom zum Kaspischen Meer und nach Teheran fahren werden, von wo aus Ariane am 14. Oktober wieder nach Berlin zurückfliegen wird.
Sieht süß aus, dein Kopftuchmädchen! Schöne Grüße aus El Asbeck
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Lieber Wolfram, liebe Ariane,
Ich wünsche Euch eine phantastische Zeit im Iran, nicht zu vergessende Eindrücke, eine sehr schöne Zeit zu zweit, eine Entdeckungsreise als Paar, einfach eine beeindruckende Zeit!
Immer, wenn ich den Blog lese, bin ich so sprachlos und ergriffen, dass ein Antworten nicht möglich ist. Zu klein kommen dann diese Zeilen vor in Anbetracht dieser großen Eindrücke, die Ihr- und v.a. Wolfram- erlebt habt. Eigentlich bin ich immer noch sprachlos vom 34. Beitrag !!!! Ihr solltest dies direkt und unverändert bei Motorradreisen.de einreichen.
Habt`ne tolle Zeit und kommt gesund zurück!
Herzliche Grüße aus dem fernen Berlin!
Euer Christian
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