Eine Woche bleibt mir in Usbekistan, um die altehrwürdigen Städte an der Seidenstraße Samarqand, Bukhara und Qhiva zu besuchen. Das erlaubt mir ein recht entspanntes Reisen mit jeweils zwei Übernachtungen pro Stadt.
In Samarqand liegt nur fünf Gehminuten von meinem Hostel entfernt der Registon – ein Platz, der dreiseitig von je einer Medrese eingerahmt wird. Das ist eine städtearchitektonische Anordnung, für die es in ganz Europa nichts vergleichbares gibt. Man stelle sich vor, die Plätze vor Notre Dame in Paris, oder vor der Sagrada Familia in Barcelona hätten links und rechts der Kathedralen jeweils nochmal ähnlich große Kirchenbauwerke stehen.
So ist es hier am Registon der Fall. Eine Medrese ist ein gigantisches Bauwerk mit hoher Portalfront, das zugleich Moschee und Lehranstalt war. Es ist quasi ein komplett umbauter Campus, der um die 100 Studenten untergebracht und in den verschiedensten Disziplinen ausgebildet hat. Die Disziplinen zeigen sich jeweils in den Verzierungen an den Fassaden, wo mal religiöse, mal astronomische und mal mathematische oder medizinische Motive zu entdecken sind. Man kann sich angesichts dieser Aufwände gut vorstellen, was für eine wissenschaftliche Hochkultur hier im Mittelalter geherrscht haben muss!

Durchgang in der Tillakori Medrese
Die Architektur weist wohltuend klare, geometrische Formen auf und besticht durch ihre Farben, ihre Ruhe und ihre schlichte Größe. Leider zieht das auch viele Touristen an – aus Europa sind hunderte von großen Reisegruppen hier unterwegs, was dem Stadtbild nicht unbedingt gut tut! Ich besichtige noch viele Moscheen und bin beeindruckt von der schönen Anlage der Stadt, die flächendeckend von üppigen Gärten durchzogen ist.

Hazrat Xizr Moschee
Aus Samarqand stammt auch der vor zwei Jahren verstorbene erste Präsident von Usbekistan – Islom Karimov – der das Land über 25 Jahre sehr autoritär geführt hat, der aber nach wie vor höchstes Ansehen in der Bevölkerung besitzt.

Verehrter 1. Präsident: Islom Karimov
Viel Spaß bereitet der Gang über den Bazar. Ob orientalische Süßigkeiten, Gemüse, Obst, Gewürze oder Kleidung: Alles ist sehr schön für das Auge drapiert und lädt zum Kauf ein. Am Abend verbleiben alle Waren am Stand und werden lediglich unter Leinentüchern versteckt.

Der Bazar von Samarqand

Kein Ruhestand – Öp bei der Arbeit

Gewürze als Farbpalette
Alles in allem ist Samarqand ein tolles Erlebnis. Es ist ein großes Glück, dass die heiße Saison nun offensichtlich vorbei ist. Noch vor wenigen Wochen herrschten hier Temperaturen von über 45 Grad! Heute sind’s nur 26.
Am Sonntag nach einem ausgiebigen Frühstück nehme ich die nächste Etappe nach Bukhara unter die Räder. Es sind nur 270 Kilometer und die Straße ist ganz OK, wenngleich nicht wirklich gut. Unterwegs gibt es eigentlich nichts zu sehen in der flachen Steppe außer den riesigen Baumwollfeldern. Dieser Anblick ist mir vollkommen neu. Aus der Ferne sehen die Pflanzen in ihrem staubigen grün nicht sehr hübsch aus, doch aus der Nähe betrachtet ist es ein sehr schönes Gewächs, wenn es seine Frucht freigibt.

Baumwollpflanze
Die Ankunft in Bukhara ist nach der öden Anreise gleichermaßen beeindruckend wie auch erschreckend. Die Altstadt ist wie ein einziges Freilichtmuseum angelegt und entführt mich in die Welt aus 1001 Nacht. Es ist so schön, dass es schon unecht wirkt, und das ist es zum Teil wohl auch. Vieles, das hier so perfekt alt wirkt, dürfte in jüngerer Zeit rekonstruiert worden sein. Was mich jedoch abschreckt, sind die Heerscharen an europäischen Touristen, die in auffallend großen Gruppen von 40-50 Personen durch die Stadt geschleust werden – zumeist deutsche und französische Touristen im Rentenalter.

Altstadtzentrum Labi Hauz
Der Ort ist übersäht mit kleinen Hotels und Herbergen, doch die meisten davon sind nur zu Fuß zu erreichen, da die Altstadtgässchen autofrei sind. Das mir empfohlene Hostel ist ausgebucht, doch man telefoniert und schon 2 Minuten später holt mich jemand ab, um mich zum Hotel Yasmin zu bringen. Dort kann ich das Moped im idyllischen Innenhof parken und bekomme ein schönes Zimmer mit Klimaanlage und Bad – was für ein Luxus! Später trifft auch Björn hier ein, und wir teilen das Zimmer. Der Garten im Innenhof lädt zum Verweilen und Ausruhen ein. Es ist erstaunlich, wie angenehm kühl es darin ist, während draußen die Sonne bei 32 Grad ordentlich kachelt!
Erst am Abend gehen wir in die Altstadt und lassen uns im Touristenstrom ein wenig treiben. Ein Souvenirshop reiht sich an den nächsten, aber man wird nicht so unangenehm angequatscht wie auf arabischen Bazaren. Bei angenehmen Temperaturen ist es jetzt sogar ganz nett, so durch die Gässchen zu laufen. Irgendwann landen wir auf einer Dachterrasse zum Abendessen. Der Blick von hier oben über die erleuchtete Altstadt entschädigt für das mittelmäßige Essen!

Souvenirs all over!
Zum Luxuszimmer gibt es am Montagmorgen auch ein Luxusfrühstück mit frischem Obst, Spiegelei, Pfannkuchen, etc. Danach geht’s auf Sightseeingtour. Die Medresen mögen hier kleiner sein als in Samarqand, doch das ganze Stadtgefüge von Bukhara ist zusammenhängender. Alle Gebäude fügen sich harmonisch in die Fluchten der Gassen ein, die jeweils zum nächsten Bauwerk führen.

Innenhof einer Medrese

Der Geldwechsler-Bazar

Vor der Moschee wird im Sommer gebadet
Es ist eine verschwenderische Fülle an schönsten Architekturen. Was mir dabei schwer fällt vorzustellen ist, wie das ganze im Winter bei minus dreißig Grad aussieht. Besonders eindrucksvoll ist die Festungsanlage, die hier Ark genannt wird – ein Bollwerk aus zig Meter dicken Mauern, dessen Vollendung eine Ewigkeit gebraucht haben muss.

Festungsanlage Ark
Nach vier Stunden habe ich vollends das Gefühl, ins Mittelalter versetzt zu sein. Am Labi Hauz ruhe ich bei einem Kännchen Grünen Tee aus und versuche das Gesehene zu verarbeiten. Dann mühe ich mich wieder mit dem lausigen Internet ab, doch es will einfach kaum gelingen, Photos in den Blog hoch zu laden. Daher müsst Ihr Euch vorerst mit diesen wenigen Bildern zufrieden geben. Ich werde bei Gelegenheit weitere Photos nachliefern!
Ich verbringe eine weitere Nacht im Yasmin bei den unglaublich netten und bemühten Gastleuten. Im Innenhof trifft sich das gesamte Publikum zum Tee oder einfach nur zum Tratsch. Erstaunlicherweise sind unter den Gästen viel Afghanen, von denen ich gar nicht angenommen habe, dass sie viel reisen würden. Am Morgen verabschieden wir uns und versuchen noch zu erkunden, wo wir für die lange Fahrt nach Qhiva Sprit mit 91 Oktan erhalten. Dies ist in Usbekistan kaum zu bekommen. Überhaupt sind 90% der Tankstellen reine Methan- oder Propanzapfsäulen, und die wenigen Benzin-Tankstellen bieten nur 80 Oktan an. Die Wegbeschreibung zur 91-er Tankstelle klingt nicht nur kompliziert, wir finden Sie auch nur auf Umwegen nach langer Suche. Dann geht’s auf in die Usbekische Wüste. Die ersten 100 Kilometer verlangt uns die Straße einiges ab. Seit Sowjetzeiten gab es hier offensichtlich keine Straßenwartung mehr. Die Schlaglöcher kosten sicherlich täglich gebrochene Achsen und zerstörte Räder! Doch danach führt eine nagelneue und perfekte Betonstraße vierspurig durch die Wüste. Auf fast 300km gibt es hier rein gar nichts – nicht einmal eine Raststätte oder ein Haus. Dafür geht es bei 36 Grad flott voran.
Die letzten 90 Kilometer sind dann wieder interessanter. Wir fahren durch belebte Siedlungen, sehen grüne Gärten und folgen von Urgench bis Qhiva einer langen Trolleybus-Linie durch Oasenfelder, die mit viel Wasser aus dem Amudarja bestellt sind. Die Usbeken – als fünft größter Baumwollproduzent weltweit – zahlen dafür einen hohen Preis, denn der so geplünderte Amudarja versickert noch ehe er in den Aralsee münden kann, wie einst vor 50 Jahren. Die Folgen sind bekannt!

Stadtmauer von Qhiva in der Dämmerung

Hostel Alibek
In Qhiva steuern wir das Hostel Alibek an, das mir von vielen Reisenden ans Herz gelegt wurde. Es liegt wirklich phantastisch direkt neben dem Westtor der Altstadt. In Qhiva spielt sich alles im kleineren Maßstab auf der von hohen Mauern eingeschlossenen und nur 400 mal 900 Meter großen Altstadt ab. Leider wimmelt es auch hier von Reisegruppen aus Europa, aber man kann Ihnen entkommen, wenn man sich die Wohnviertel am Rande der Altstadt ansieht und nicht nur die Hauptattraktionen auf den Hauptwegen.

Das Westtor von Qhiva

Wurde nie vollendet: Minarett
Qhiva ist unter den drei Städten die kompletteste. Alles erscheint zusammengehörig und man braucht kaum noch Phantasie, um sich das Leben hier vor 300-400 Jahren vorzustellen. Die Stadtmauer umschließt vollständig alles, was es hier zu besichtigen gibt. Trotzdem erstaunlich, was diese 400 mal 900 Meter alles bieten. Ich verbringe mehr als einen halben Tag auf Entdeckungstour.

Ein einziges Museum: Die Altstadt von Qhiva

Qhiva als Filmkulisse (Dreharbeiten)

Qhiva als Hochzeitskulisse
Die erstaunlichste Entdeckung ist ein Brunnen im Hof eines Privathauses, der überhaupt erst zur Gründung von Qhiva vor über 2.500 Jahren geführt hat. Komischerweise findet dies im Reiseführer keinerlei Erwähnung und auch keine der vielen Reisegruppen wird hierher geführt. Ich werde ganz zufällig von einer Frau darauf aufmerksam gemacht, als ich mir die wenig beachteten Wohnviertel entlang der Innenseite der Stadtmauer ansehe. Sie führt mich zu ihrem Nachbarn, in dessen Garten dieser historische Brunnen steht, und er erzählt voller Stolz von dessen Geschichte!

Gründungsbrunnen hinter geschnitzter Tür
So geht heute meine Tour zu den Städten der Seidenstraße zu Ende. Morgen fahre ich leider denselben Weg zurück nach Bukhara, denn ich muss dort nach Turkmenistan einreisen, weil ich diesen Grenzübergang bei der Visumbeantragung angegeben habe und dieser nun im Pass steht. Es wäre viel besser und auch kürzer gewesen, hier bei Qhiva einzureisen, dann wäre ich direkt am brennenden Krater Derweza vorbeigekommen, der quasi die einzige Sehenswürdigkeit von Turkmenistan darstellt. Nun werde ich dafür keine Zeit haben, da ich am Mittwoch in Shiraz sein will, um Ariane vom Flughafen abzuholen.
Bis dahin liegen noch gut dreitausend Kilometer vor mir – auf was für Straßen? Ich weiß es nicht, aber ich freue mich auf den Iran und auf Ariane!
Nachtrag: Es ist Donnerstag, und ich bin gerade wieder in Bukhara gelandet, da treffe ich im Hostel Rumi zum vierten Mal auf Jürgen – so eine Wiedersehensfreude. Er hat bis gestern in Dushanbe auf sein Turkmenistan-Visum warten müssen, war aber schlussendlich erfolgreich, was bei den Turkmenen alles andere als selbstverständlich ist.
Hier habe ich erstmals in Usbekistan halbwegs stabiles Internet, womit ich noch ein paar Photos hochladen kann.
Lieber Wolfram,
deine Tour ist so spannend und die Eindrücke wunderschön!
Hab noch eine schöne Tour, bevor ja Ariane bald zu dir kommt und ihr alles gemeinsam erleben könnt.
Wir senden dir ganz herzliche Gedanken von unseren Flittertagen vor dem großen Fest!
Beate&Christian
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Dear wolfram
It’s a wonderful tour you make and every block is so interesting to read that we almost feel a bit together with you.
Take care.
Lieber Grüße
Bodil und Carsten
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Dearest Wolfram
It’s a wonderful tour you make and your blocks are so interesting that we feel we are almost a bit there together with you.
Wish you all the best on your further travel and take good care.
Lieber Grüße
Bodil und Carsten
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Ich war 2013 in Usbekistan. Damals gab es da ein paar vereinzelte europäische Gruppen, aber v.a. usbekische Damengruppen. Ich habe schon gehört, dass Usbekistan in diesen paar Jahren zu einer echten Touri-Destination wurde.
Hast du in Samarkand gar nicht Shah-i-Zinda besucht? Meiner Meinung nach der architektonische Höhepunkt!!
Bei dem „Innenhof einer Medrese“ in Buxara… Ist das nicht die große Moschee?
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