Auch ohne die aktuelle Hauptstadt Astana selbst gesehen zu haben, kann man nicht verstehen, warum man Almaty 1997 den Hauptstadtstatus genommen hat. Die Lage der Stadt am Fuße des bis zu 7.400m hohen Tien Shanghai Gebirges ist schon besonders schön. Der Name bedeutet übrigens „dem Himmel nah“! Die Straßen sind schachbrettartig streng Nord-Süd oder West-Ost ausgerichtet, wobei die Südrichtung immer einen spektakulären Blick auf die schneebedeckten Berge gewährt. Die Ausrichtung der Straßen wurde bewusst so gewählt, um in den heißen Sommern die kühle Bergluft ungehindert durch die Stadt streifen zu lassen. Bei nun 36 Grad fühlt es sich dennoch unangenehm an. Unangenehm ist auch die zweite Begegnung mit der korrupten Polizei. Diesmal bin ich aber in einer schlechteren Verhandlungsposition, denn ich habe eine doppelte, durchgezogene Linie überquert – da gibt es nichts zu beschönigen! Der Polizist, der mich gleich anhält, reagiert verwirrt, als ich ihm meine Papiere nur zeige, aber nicht aushändige. Er droht mit Führerscheinentzug und astronomischen Geldsummen. Dann will er ein Angebot von mir, das ich ihm unverfroren mit 1.000 Tenge (2,50€) gebe. Er will ein Angebot jenseits von 20.000 Tenge. Den Gefallen tu ich ihm aber nicht. Seine schräge Moralvorstellung sieht nämlich ein Angebot und ein Hinterlegen von Schmiergeld nicht als Korruption, sondern nur die Forderung und direkte Entgegennahme des Geldes scheinen als solche zu gelten. Also spielen wir 20 Minuten Katz & Maus, bis er schließlich die Nerven verliert und 10.000 Tenge verlangt und mich auffordert, diese im Polizeiwagen in ein Büchlein zu stecken, das in der Mittelkonsole liege. Mir ist klar, dass ich aus dieser Nummer nicht ungeschoren herauskomme, und so tue ich zähneknirschend, wie mir geheißen. Von nun an werde ich mich wirklich streng an die Regeln halten, was aber insbesondere im GroßStadtverkehr nicht einfach ist.
Am Donnerstag (2.8.) suchen wir die Freeriders auf. Das ist der größte Mopedladen mit Werkstatt in ganz Kasachstan. Hier – so sagte man uns – werden wir Hilfe finden, um das marode Gepäcksystem an Steve’s Africa Twin zu erneuern. Jana, die gut englisch spricht und das Familienunternehmen führt, kann uns zwar nicht die gewünschten Softbags anbieten, denn diese sind in Kasachstan offensichtlich nicht üblich, doch dafür hat sie Aluboxen in Kommission, die zwei Schweizer Mopedfahrer im vergangenen Jahr bei ihr gelassen haben, weil die Kosten für den Rücktransport per Luftfracht zu teuer war, als sie ihre Tour in Almaty beendeten. Die Boxen sind fast neuwertig und 1a verarbeitet – halt Schweizer Qualität! Wir entscheiden uns dafür und müssen nun noch die Anfertigung eines entsprechenden Gepäckträgers organisieren. Der hauseigene Mechaniker wäre wohl in der Lage dazu, doch ist er die kommenden Tage schon ausgebucht. Also telefoniert Jana herum und macht Timo ausfindig, der den Auftrag für morgen annimmt.
Wir sehen uns somit am Freitag um 11 Uhr wieder, nehmen die Boxen mit, ohne zu bezahlen – Vertrauen ist alles – und suchen Timo in einer unterirdischen Hinterhofwerkstatt auf. Der erste abgewrackte Eindruck täuscht aber, denn innen zeigt sich eine top-ausgestattete Werkstatt und beeindruckende Projekte von selbstgeschweißten Rädern bis zu selbstgeschweißten Motorrad-Rahmen. Bei reichlich Tee besprechen wir das Projekt „Gepäckträger“ und verabreden uns – da die Arbeiten eh nicht gleich beginnen können – für den Abend um 18 Uhr, um die Twin abzugeben. Das gibt uns genügend Zeit für einen Ausflug zum „Big Almaty Lake“, der 35km entfernt in 2.500m Höhe liegt.
Dorthin führt eine schöne Serpentinenstraße, die genauso gut in den Alpen liegen könnte. Wir fahren durch eine spektakuläre Schlucht zum See und sogar noch höher auf gut 2.700m. Von dort bietet sich ein erhabener Blick auf den milchig-grünen See, der mit eiskaltem Gletscherwasser gefüllt ist.
Hier treffen wir Joost und Joan, ein Pärchen aus Nimwegen, die in etwa meine Tour in umgekehrter Richtung fahren und auch schon seit April unterwegs sind. Die beiden sind ebenso mit BMW F800GS, bzw. F650GS unterwegs. Sie hatten übrigens das gleiche Problem mit der Benzinpumpe und haben hier bei BMW gleich die ganze Einheit für fast 600.-€ getauscht! Schade, dass ich ihnen nicht vorher den Tip mit der Toyota-Pumpe für 32.-€ geben könnte.
Wir haben über mehr als eine Stunde tolle Gespräche und finden die beiden total sympathisch. Leider ruft uns der Termin mit Timo ins Tal zurück, und so verabreden wir uns mit ihnen für morgen Abend zum Essen beim Italiener.
Um 18 Uhr liefern wir die Twin bei Timo ab, der mit Johnny auf uns wartet, der wohl die Arbeit ausführen wird. Wir klären noch wichtige technische Details und verabreden die Abholung für übermorgen, also Sonntag, um 12 Uhr.
Ein weiterer Ausflug führt uns am Samstag in das Skigebiet von Shymbulak. Dieses liegt gerade mal 12km von Almaty entfernt und ist sogar mit dem Linienbus zu erreichen.
Von oben hat man einen tollen Blick über die Millionenstadt Almaty, die gar nicht eine so große Ausdehnung hat. Leider liegt allzu oft eine Smog-Glocke über der Stadt.
Am Sonntag fahren wir voller Spannung zum verabredeten Zeitpunkt zu Timo, um die Twin abzuholen. Er ist – zum Glück, wie ich sagen muss – noch nicht fertig. Die reine Schweißqualität ist gar nicht mal übel, doch sitzen die Koffer viel zu weit außen und so weit vorne, dass die Soziusrasten nicht mehr zu nutzen sind. Wir diskutieren hin und her, bestehen aber schließlich darauf, den Träger mehr oder weniger neu zu bauen. Neuer Abholtermin Montag Nachmittag.
Auch heute ist Timo nicht fertig, als wir zur vereinbarten Zeit kommen. Dafür sieht der Träger jetzt ganz gut aus. Es wird noch 22 Uhr, bis Steve auf seiner nunmehr off-road tauglichen Twin zum Hostel fährt. Timo will am Ende eine absolut perfekte Arbeit abliefern. Dazu gehören auch noch eine Gepäckträgerplatte und ein Werkzeugrohr. Good Job!
Die folgenden beiden Tage drehen sich um Steve’s Gepäck und um seine Visa für Tadjikistan, Usbekistan, Aserbaidschan und die Türkei. Wir kaufen bei KTM eine Gepäckrolle und einen Tankrucksack, dann bezahlen wir bei Jana auch mal die Alu-Koffer. Alle Visa lassen sich mittlerweile online beantragen, wenn man erstmal das Online Bezahlen hin bekommt.
Zwischendurch gibt es auch noch in der Stadt viel interessantes zu entdeckenden.

Zentral Moschee von innen

Zentral Moschee von außen

Neue Moschee von 2014

Neue Moschee Seitenansicht

Zentraler Platz im Regierungsviertel

Straßenflucht Richtung Süden mit Bergen im Hintergrund

Prachtstraße „Dotzky Avenue“
Am Mittwoch Abend haben wir dann alles erledigt, was es in Almaty zu tun gab, und wir sind schon auf Weiterfahren eingestellt, da bemerke ich ein seltsames Geräusch am Vorderrad. Eine kurze Inspektion reicht, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass die vorderen Radlager das Zeitliche gesegnet haben. Schade, dass ich das erst nach einer Woche in Almaty bemerke, und schade auch, dass vor der Reise nur die hinteren Lager erneuert wurden!
Am Donnerstag finde ich dann aber schnell einen SKF-Vertragshändler, der die Lager vorrätig hat und mir für 3.000 Tenge (7,50€) verkauft. Die Leute von Freerider bauen mir die Lager sofort ein und dort bekomme ich auch noch einen passenden, fast neuwertigen Hinterreifen fast geschenkt. Mein Reifen hat zwar noch viel Profil, doch seit langem habe ich einen Riss zwischen den Stollen, der sich kürzlich verlängert hat. Wenn mir der Reifen mitten auf dem Pamir platzt, dann habe ich ein echtes Problem. Somit folge ich dem Rat vieler, die mich gewarnt haben, damit weiter zu fahren und verabschiede mich schweren Herzens von der Idee, die Tour mit denselben Reifen zu beenden, mit denen ich sie begonnen habe 😖.
Nun wären wir wirklich abfahrbereit, hätte mich nicht in der letzten Nacht ein Magenproblem ereilt. Diesem gebe ich am heutigen Freitag noch Gelegenheit zur Erholung mit einem Chill-Tag am Gebirgsfluss oberhalb von Almaty.
Dann aber wird es morgen nach 10 Tagen in dieser schönen Stadt endgültig weitergehen. Zunächst zum Charyn Canon und dann zum Kaindy Lake. Beides hochgelobte Naturschauspiele auf kasachischer Seite, bevor es dann nach Kirgistan zum Yssykköl geht – einem See auf 1.600m Höhe 11 mal so groß in der Fläche wie der Bodensee und 36 mal im Volumen! Dazu umgeben von Bergen bis zu 5.300m Höhe. In der Nähe der Grenze sind es gar Berge bis zu 7.400m!
Lieber Wolfram,
wunderschöne Landschaft in den Bergen und wie immer soooo spannend zu lesen!
Unser Iran- Abend war wunderschön, es muss traumhaft werden dort, Ariane hat dir sicher schon berichtet.
Gute Besserung und eine spannende Weiterreise!
Beste& Christian
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……das Gebirge Тянь – Шань ist ja wunderschön ! Besonders schön ist das Foto mit dem milchig – türkisfarbenen See ! Besonders schön ! Beneidenswert so was in Leif gesehen zu haben. Am See Иссыкуль hat meine Schwester vor 30 -40. Jahren sooo einen dollen Sonnenbrand , ganz schnell bekommen ….. ich freue mich für dich , dass du so viel schöne Natur siehst . Lieber Wolfram genieße es , atme viel , oft tief ein – und aus : bewusst! Nur so ist es am besten die Gegenwahrt zu spüren und wahrnehmen …. bleib gesund ! Danke für, s Miterleben. Gruß Tanja
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